Ein Burnout als Tapferkeitsmedaille
Stress ist ein Begriff, der gerne inflationär verwendet wird. Auf die Frage, wie es uns geht, antworten wir bereitwillig, dass wir uns gestresst fühlen. Möglichst viel Stress zu haben betont schließlich die Wichtigkeit unserer Person. Das nächste Level eines gestressten Lebens zu erreichen und ein Burnout zu erleiden kommt in den Köpfen Vieler fast schon einer Tapferkeitsmedaille gleich.
Teilt man anderen mit, dass man sich gestresst fühlt, kommt es häufig zu Unverständnis. „Das soll Stress ein? ICH habe Stress, aber das was du hast ist doch KEIN Stress. Du weißt doch gar nicht, was richtiger Stress bedeutet.“ Es kann schon manchmal der Eindruck entstehen, dass ein Wetteifern darüber herrscht, wem es schlechter geht und wer jammern darf und wer hingegen nicht.
Interindividuelle Vergleiche zu ziehen ist im Hinblick auf das Stresserleben jedoch nicht sinnvoll. Stress ist immer etwas sehr Subjektives. Was den einen Menschen stresst, bedeutet nicht zwangsläufig, Stress für jemand anderen zu sein. Dies ist eine wesentliche Erkenntnis, auf die gleich zu Beginn des Buches von Rainer Kapellen hingewiesen wird.
Wer sein eigenes Stresserleben in den Griff bekommen möchte, muss also seine individuelle Situation genau analysieren. Genau dort beginnt das Buch Keine Zeit – Bin im Stress von Rainer Kapellen.
Der Autor
Rainer Kapellen ist ehemaliger Kommunalpolitiker und als Mentor, Speaker und Coach tätig. Er hat eine Berufszulassung als Heilpraktiker für Psychotherapie erworben und ist zudem zertifizierter Business-Trainer.
Inhalte des Buchs
Den Status Quo erheben
Zu Beginn des Buches kommt es zunächst zu einer Erhebung des persönlichen Ist-Standes. Man muss zuerst festzustellen, wo man selbst steht und analysieren, was genau Stress für einen persönlich bedeutet und wodurch dieser bedingt wird. Dies ist die Ausgangsbasis für all die weiteren Infos, die im Verlauf des Buches präsentiert werden und beim persönlichen Stressmanagement unterstützen sollen. Und dieser Informationen sind viele.
Dies ist gleich einer der Hauptkritikpunkte an dem Buch. Das Buch wirkt auf den insgesamt 430 Seiten ziemlich überladen und kann einen beim Lesen schon etwas erschlagen. Es hätte dem Buch sehr gut getan, den Umfang etwas abzuspecken. Mehr ist nicht immer besser, zumal sich so manches wiederholt und einige Passagen wohl deutlich kompakter formuliert werden hätten können.
Das Buch wird schließlich vor allem jene Menschen ansprechen, die sich auf die eine oder andere Art und Weise gestresst fühlen. Gerade diese Menschen könnten umso mehr von einem so umfangreichen Buch und zum Teil auch recht langwierigen Ausführungen abgeschreckt werden und es womöglich auch nicht zu Ende lesen. Das wäre durchaus bedauerlich, denn gerade der letzte Teil des Buchs ist besonders interessant und könnte sogar ein eigenständiges Buch füllen.
Die H2E-Strategie
Doch der Reihe nach. Nach der anfänglichen Selbsteinschätzung gliedert der Autor sein Buch und sein Stressmanagement-Konzept in drei Teile:
- Erde
- Hölle
- Himmel
Es handelt sich dabei um drei verschiedene Kompetenzbereiche und zu jedem dieser Bereiche werden vier grundlegende Strategien zur Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen und des Stressmanagements vorgestellt. Kapellen nennt dieses Konzept die H2E-Strategie.
Im ersten Teil (Erde) geht es um die Entwicklung der eigenen persönlichen, fachlichen und sozialen Kompetenzen. Dadurch soll das Stresserleben entweder erst gar nicht aufkommen oder zumindest deutlich vermindert werden.
Der zweite Teil (Hölle) beschäftigt sich mit dem Mindset und den persönlichen Einstellungen, Motiven und Bewertungen. Es geht also um das mentale Stressmanagement, um die Wahrnehmung individueller Stressverstärker, diese zu reflektieren und förderliche, stressmindernde Gedanken und Einstellungen zu entwickeln.
„Die letzte der menschlichen Freiheiten besteht in der Wahl der Einstellungen zu den Dingen.“ – Viktor Frankl
Im dritten und letzten Teil (Himmel) geht es um die Regeneration, also um alles, was das Leben angenehmer macht. Hier werden Themen behandelt, welche beispielsweise die persönliche Pausengestaltung betreffen. Weiters geht es um den Schlaf, um Entspannungstechniken (insbesondere um die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson), Achtsamkeit, Imagination, sowie um Bewegung und Sport und die sogenannte Life-Kinetik, wo körperliche Übungen mit mentalen Aufgaben verknüpft werden.
Wie bereits angedeutet, empfand ich besonders den dritten Teil des Buchs am interessantesten und es ist auch jener Lebensbereich, dem in unserer stressbegünstigenden Zeit oftmals viel zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen wird.
Sowohl Sachbuch, als auch Arbeitsbuch
Man merkt, dass sich der Autor bereits länger mit der Thematik beschäftigt. Zwar dürfte dem Autor der wissenschaftliche Background vermutlich fehlen, dennoch erhält man den Eindruck, dass der Autor bereits einiges an Erfahrung in diesem Themenkomplex mitbringt, was in der Autorenbiografie am Ende des Buches auch näher erläutert wird.
Da das individuelle Stresserleben sehr subjektiv ist, hat es durchaus Sinn, ein Buch zum Thema nicht nur als reines Sachbuch zu konzipieren. Das Buch versteht sich daher auch als Arbeitsbuch und enthält entsprechende Anleitungen zur Selbstreflexion. So kann die eigene Lage immer wieder aufs Neue analysiert und reflektiert und die Inhalte des Buchs mit der individuellen Situation verknüpft werden.
Was den Lese- und Arbeitsfluss jedoch etwas trübt, sind der oftmals ausschweifende Schreibstil des Autors und auch die hier und da vorkommenden Tipp- und Formatierungsfehler. Leider wirkt auch das Schriftformat etwas zu gedrungen und allgemein ist meines Erachtens ist auch die Schriftart nicht optimal gewählt. Eine Schriftart mit Serifen würde das Lesen etwas erleichtern und wäre für ein Printmedium vermutlich die bessere Wahl gewesen, als eine Schrift ohne Serifen.
Sollte es zu einer Neuauflage des Buches kommen, so würde ich dem Buch wünschen, dass diese Punkte berücksichtigt werden und das Buch auch eine kompaktere Struktur erhält, sodass die Inhalte zwar so lange als nötig, aber auch so kurz wie möglich präsentiert werden. Was das Lesen wiederum deutlich auflockert ist der sympathische Humor, den der Autor mitbringt. So sorgen etwa die Weisheiten von Uli Hoeneß zum Thema Ernährung oder die Erzählungen über die Herausforderungen eines Saunabesuchs oder eines Bads im Whirlpool mit irritablem Darm für den einen oder anderen Lacher zwischendurch.
Fazit: Keine Sorge – Bin im Stress
Alles in allem ist Keine Zeit – Bin im Stress von Rainer Kapellen ein Buch mit vielen hilfreichen Informationen, die bei der Entwicklung eines persönlichen Stressmanagements helfen können. Der Autor bringt offensichtlich einiges an praktischer und persönlicher Erfahrung zum Thema mit. Das Buch ist zudem auch als Arbeitsbuch konzipiert, wodurch es ermöglicht wird, die persönliche Situation aufzugreifen und mit den dargebotenen Inhalten zu verknüpfen.
Leider ist das Buch insgesamt etwas überladen und der ausschweifende Schreibstil, ein suboptimal gewähltes Schriftformat und gelegentliche Tipp- bzw. Formatierungsfehler trüben das Lesevergnügen etwas. Wer diese Kritikpunkte jedoch in Kauf nehmen kann und möchte, wird bei entsprechendem Interesse am Thema von dem Buch profitieren können!
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