Fortschritt
Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer
AUTOR
Johan Norberg
ERSCHIENEN
2. Auflage 2020
FinanzBuch Verlag*
Fortschritt
Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer
AUTOR
Johan Norberg
KATEGORIE
Gesellschaft
Geschichte
Statistik
ERSCHIENEN
2. Auflage 2020
FinanzBuch Verlag*
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Fortschritt: Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer von Johan Norberg ist in der deutschen Auflage im Mai 2020 im FinanzBuch Verlag erschienen. Der englische Originaltitel Progress* erschien 2016 bei Oneworld Publications.
Das Buch greift die historischen Errungenschaften der Menschheit auf und präsentiert diese als Kontrast zur allgemein vorherrschenden eher negativen Weltsicht der meisten Menschen. Er widmet sich dabei in insgesamt zehn Kapiteln sehr ausführlich den Themen Ernährung, Hygiene, Lebenserwartung, Armut, Gewalt, Umwelt, Alphabetisierung, Freiheit, Gleichberechtigung und der nächsten Generation bzw. den Kindern von heute.
Johan Norberg präsentiert dabei viele Zahlen und Fakten und lockert diese mit interessanten Anekdoten aus verschiedenen Epochen auf. Er nähert sich dem Thema Fortschritt dabei derart, dass er die Entwicklung der Menschheit zu den insgesamt zehn Themengebieten im historischen Verlauf betrachtet. Es scheint so, also würden Menschen dazu neigen, die Vergangenheit tendenziell zu romantisieren und die Gegenwart und unseren Blick auf die Zukunft zu dramatisieren. Dass dies eine erstaunliche Verklärung der Geschichte darstellt, die in klarem Widerspruch zu den Erkenntnissen und offiziellen Daten der Vereinten Nationen, der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation steht, möchte der Autor mit seinem Buch aufzeigen.
Das Ziel des Buchs ist es dabei nicht, vorherrschende Probleme auf der Welt kleinzureden, zu bagatellisieren oder gar zu verneinen. Stattdessen soll der Fortschritt, insbesondere jener der letzten Jahrzehnte, vor allem eines zeigen – es ging uns nie besser als heute!
Autor
Johan Norberg, geboren im Jahr 1973, studierte Philosophie, Literatur- und Politikwissenschaften und ist ein schwedischer Schriftsteller, Dokumentarfilmer und Dozent. Er ist Senior Fellow am Cato Institute in Washington DC und am European Centre for International Political Economy in Brüssel.
Inhalt
Werden Menschen auf offener Straße gebeten, den derzeitigen Stand der Welt aus ihrer Sicht zu beschreiben, dann stehen die Chancen gut, dass man folgende Begriffe hören wird: Terror, islamischer Staat, Krieg, Verbrechen, Mord, Hunger, Umweltkatastrophen, Klimawandel, Pandemien, Ungleichheit, Flüchtlinge usw. Letztlich wird in der Vorstellung ein Bild entstehen, das eher einer Apokalypse gleicht, als einer schönen Welt.
Vor allem Politiker, Journalisten und Aktivisten triggern oft die Ängste der Menschen, sehr häufig eher unbewusst als bewusst, da sie letztlich auch nur Menschen sind, die denselben psychologischen Bias unterliegen. Das Negative, das Schreckliche und Dramatische übt eine deutlich größere Anziehungskraft auf uns aus, als das Gewöhnliche und Ungefährliche. Daher haben es Bücher wie Fortschritt nicht immer einfach, die Aufmerksamkeit der potentiellen Leserschaft zu erlangen oder wie Norberg sagt: „Wann man ein Buch mit einer positiven Botschaft über die Welt schreibt, rennt man nicht gerade offene Türen ein.“
Evolutionär betrachtet hat dies auch gute Gründe. Angst ist überlebenswichtig. Jene Jäger und Sammler, die in ihrem Alltag besonders stark Ausschau nach Gefahren und Ärger hielten, also deutlich ängstlicher waren als ihre Artgenossen, waren letztlich jene, die überlebt und ihre Gene weitergegeben haben.
Leider gibt es auf der Welt noch viele Orte und Situationen, in denen es nicht nur angebracht, sondern immer noch überlebensnotwendig ist, ständig achtsam, ängstlich, besorgt und auf der Hut zu sein. Doch in sehr vielen Fällen, wenn nicht sogar in den meisten, ist es dies nicht mehr. Die Betonung liegt dabei vor allem auf den letzten beiden Worten – nicht mehr.
War früher wirklich alles besser?
Kapitel für Kapitel vergleicht Norberg den Ist-Zustand hinsichtlich der Themen des Buchs mit den Zuständen der Vergangenheit. Durch die Erzählungen aus der Geschichte werden bei den Lesern Bilder erzeugt, die alles andere als schön sind. Interessanterweise neigen wir dazu, die Vergangenheit zu verklären und unterliegen dabei psychologischen Bias, die uns sehr nostalgisch auf „die gute alte Zeit“ zurückblicken lassen. Unser Gedächtnis spielt uns dabei einen Streich, denn unsere Vorstellungen aus vergangenen Tagen erscheinen weitaus rosiger, als sie es tatsächlich waren.
Liest man die Erzählungen des Autors aus vergangenen Tagen, etwa zu Hygienestandards, Gewalt, Armut, Freiheit, Gleichberechtigung usw., dann kann einem ganz schön mulmig werden. Manche der Geschichten schockieren regelrecht. Es sind beispielsweise Geschichten von fäkalienverseuchten Gewässern, öffentlichen Hinrichtungen, durch Hunger bedingten Kannibalismus und viele weitere Grausamkeiten. Und noch schockierender als der Inhalt dieser Erzählungen ist der Umstand, dass man dazu oft gar nicht allzu weit in die Vergangenheit blicken muss.
„Nichts trägt so viel zur guten alten Zeit bei wie ein schlechtes Gedächtnis.“ – Franklin Pierce Adams
Wachstum und Wohlstand
Die Daten, die Norberg präsentiert, sprechen eine klare Sprache. Vor allem in den letzten Jahrzehnten konnten mehr Fortschritt und positive Entwicklungen verzeichnet werden, als in den Jahrtausenden zuvor. Ein wesentlicher Grund dafür ist Wachstum. Wachstum und Wohlstand gehen Hand in Hand. Doch gerade Wachstum hat einen üblen Ruf und wird für viel Schlechtes auf der Welt verantwortlich gemacht. Dabei wird Wachstum fälschlicherweise häufig nur quantitativ interpretiert. Mit zunehmendem Wachstum und Wohlstand ändern sich jedoch auch die Präferenzen der Menschen.
„Nicht ‚immer mehr‘ ist das Ziel, sondern ‚immer besser‘.“
„Immer besser“ betont den qualitativen Aspekt des Fortschritts und bezieht sich etwa auch auf das Thema Umwelt, das sich Norberg in einem eigenen Kapitel widmet. Gerade die technische Entwicklung von Filtern, Reinigern, effizienten Motoren und Anlagen kommt der Umwelt enorm zugute. Zudem ermöglichen neue Technologien eine viel effizientere Nutzung von Ressourcen.
„Wohlstand wird zunehmend zu einem wesentlichen Faktor für eine umweltfreundliche Entwicklung […] Je wohlhabender ein Land war, desto mehr hatte es dafür gesorgt, dass die Umwelt sauberer und sicherer für Menschen wird.“
Wohlstand setzt also Wachstum voraus. Der pro-kapitalistische Einschlag des Buchs liegt durch diese Argumentation also quasi auf der Hand. Wie Frank Schäffler im Vorwort bereits ausführt, kann Wachstum und Wohlstand nur durch Kapitalismus dauerhaft finanziert werden, während dem Sozialismus dafür das Kapital fehlt bzw. früher oder später ausgeht.
Wie immer gibt es jedoch selten eindeutig Schwarz oder Weiß auf der Welt. Die Welt ist sehr komplex und so gehen Vorteile und Errungenschaften auch mit negativen Aspekten einher. Die industrielle Herstellung von Stickstoff etwa kann als wirksamstes Mittel gegen Hunger und möglicherweise als die bedeutendste Erfindung des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Nicht nur konnten mehr Menschen dadurch ernährt werden, mussten durch den Einsatz von Kunstdünger auch weit weniger Rodungen zum Schaffen von landwirtschaftlicher Nutzfläche durchgeführt werden. Die landwirtschaftlichen Abflüsse des Kunstdüngers ins Meer führen jedoch wiederum zu sehr negativen Auswirkungen auf die Meeresgesundheit.
Nutzen und Schaden sind also gleichermaßen vorhanden und diese gilt es zu bedenken und abzuwägen. Man kann dem Autor daher zugutehalten, dass er sich den Themen durchaus kritisch widmet und technologische Fortschritte nicht nur einseitig durch die rosa Brille betrachtet, sondern auch Kontroversen erwähnt, die es natürlich ebenso gibt.
Kapitalismus kontra Armut
Dem Thema Armut nähert sich Norberg ebenfalls auf interessante Weise. Wer nach den Gründen von Armut fragt, stellt aus seiner Sicht die falsche Frage, da Armut letztlich das ist, was überall vorherrschte, bevor sich Wohlstand entwickeln konnte. Man sollte daher fragen, was es benötigt, um zu Wohlstand zu gelangen.
„Armut hat keine Ursachen – nur Wohlstand hat Ursachen.“ – Jane Jacobs
Johan Norberg erläutert, warum sich der Kapitalismus letztlich zum Wohle der Menschen immer wieder durchgesetzt hat. Während Karl Marx dachte, dass der Kapitalismus lediglich die Reichen reicher und die Armen ärmer mache und das Prinzip des freien Marktes als Nullsummenspiel zu verstehen sei, sodass immer wenn jemand etwas gewinne, jemand anderer auch etwas verlieren müsse, ist die Mittelklasse nicht wie von Marx prophezeit ins Proletariat abgerutscht und das Proletariat auch nicht verhungert. Ganz im Gegenteil. Als Marx 1883 starb war der durchschnittliche Engländer dreimal reicher als im Jahr 1818, dem Geburtsjahr von Karl Marx. Die extreme Armut war in England im Jahr 1900 um drei Viertel auf etwa zehn Prozent der Bevölkerung reduziert worden.
Eine interessante Anekdote erzählt die Geschichte über den Zusammenschluss einiger weniger Bauern und Dorfbewohner in einer chinesischen Provinz. Diese haben sich vertraglich dazu verpflichtet, mehr zu produzieren als durch die planwirtschaftliche Verwaltung vorgesehen und in weiterer Folge die überschüssigen Erträge untereinander aufzuteilen. Dies geschah zunächst ohne Genehmigung und ohne Wissen der Staatsführung, wurde aber später von dieser bemerkt. Glücklicherweise wurden jene Bewohner allerdings nicht abgestraft, stattdessen die Staatsführung durch ihre Erfolge inspiriert und die Produktion im Land nach und nach entlang marktwirtschaftlicher Funktionsweisen gestaltet.
Gerade im Hinblick auf Armut betont Norberg die Wichtigkeit von Wachstum erneut, da sich letztlich in Untersuchungen gezeigt hat, dass beinahe jeder Einkommenszuwachs für die Ärmsten einer Gesellschaft nicht etwa durch Umverteilung zustandekam, sondern eher mit der Wachstumsrate eines Landes einherging.
Auch die häufig kritisierte Kehrseite der Wohlstandsvermehrung, nämlich eine wachsende Ungleichheit bzw. überproportionaler Einkommenszuwachs für vermögendere Menschen, relativiert Norberg, indem er auf den historischen Verlauf verweist. So argumentiert er, dass sich der Gini-Koeffizient (als Maßeinheit für Ungleichheit zwischen und innerhalb von Ländern) seit dem Jahr 1820, in dem das Wirtschaftswachstum begann, zwar zunächst vergrößerte, seit der Jahrhundertwende jedoch deutlich zurückgegangen ist. Der Wert werde über die nächsten Jahrzehnte noch weiter deutlich sinken, allerdings kann der Wert immer noch als ein hohes Maß an weltweiter Ungleichheit interpretiert werden.
Empfehlung
Das Buch Fortschritt von Johan Norberg ist ein Buch mit einer positiven Botschaft über die Welt. Als ich von diesem Buch erstmals gehört habe, brachte ich es sofort mit Factfulness* von Hans Rosling in Verbindung. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Büchern besteht jedoch darin, dass Rosling durch die Beschreibung der „Instinkte“, die er für unsere verzerrte Weltsicht verantwortlich sieht, mehr den psychologischen Aspekt der allgemeinen Weltsicht aufgreift.
Norberg präsentiert in Fortschritt hingegen eine viel geballtere Ladung an Zahlen, Daten und Fakten und vermittelt damit enorm viel Wissen. Diese Daten lockert er immer wieder mit interessanten Anekdoten auf, die den Inhalt zum Lesen gut aufbereiten und es nicht langweilig werden lässt. Dennoch war meine Aufnahmefähigkeit nach dem Lesen von maximal zwei Kapiteln am Stück erschöpft. Wer das Buch also lesen möchte, wird die Inhalte eher in wohldosierten Mengen aufnehmen, zumindest wäre dies meine Empfehlung, um besonders davon zu profitieren.
Fortschritte und positive Errungenschaften anzunehmen, setzt eine gewisse Offenheit beim Leser voraus. Wie bereits Rosling hingewiesen hat, kann das Aufzeigen und die Würdigung von positiven Entwicklungen zu Unmut führen, da implizit oft gefolgert wird, man würde existierende Probleme auf der Welt durch das Aufzeigen von Fortschritten kleinreden wollen. Wer sich jedoch darauf einlassen und eine andere – aus meiner Sicht deutlich schönere und zudem realistischere – Perspektive zulassen möchte, dem kann ich das Buch nur wärmstens empfehlen! In diesem Sinne:
„Das Leben wird immer besser – heute, morgen und in der Zukunft.“
Pro & Contra
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Weitere interessante Literatur
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