Zusammenfassung
Kapitalismus als das weltweit vorherrschende Wirtschaftssystem ist in der Regel sehr negativ besetzt. Im Bewusstsein vieler Menschen gilt der Kapitalismus regelrecht als Wurzel allen Übels. Doch ist dieser schlechte Ruf eigentlich gerechtfertigt? Gibt es möglicherweise antikapitalistische Alternativen, unter denen es der Menschheit deutlich besser gehen würde, als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen? Kapitalismus ist ein Spezialgebiet des promovierten Historikers und Soziologen Rainer Zitelmann und in seinem neuesten Buch Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten setzt er alles daran, die häufigsten Fehlannahmen zum Kapitalismus zu entkräften.
Neben den 10 häufigsten Irrtümern, die dem Kapitalismus angehaftet werden, präsentiert Zitelmann auch eine eigens beauftragte umfassende Studie, die der Frage nachgeht, wie die Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in Asien, Europa und den USA den Kapitalismus sehen. Wie sich zeigt, gibt es zwar regionale Unterschiede, doch allgemein werden dem Kapitalismus viel mehr negative als positive Eigenschaften zugeschrieben. Interessanterweise lässt sich auch erkennen, dass die Zustimmung zum Kapitalismus sehr deutlich steigt, wenn man das Wirtschaftssystem nur inhaltlich beschreibt und dabei das Wort „Kapitalismus“ nicht verwendet.
Die abschließenden Worte im Buch entstammen der Feder des renommierten Ökonomen Weiying Zhang von der Peking-Universität, der in seinem Beitrag den Zusammenhang zwischen der Marktwirtschaft und dem allgemeinen Wohlstand in einfachen Worten erläutert.
Autor
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe. Er hat mehrere Bestseller geschrieben, unter anderem Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung, ein Buch, das man gewissermaßen als Vorgängerwerk zu Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten betrachten kann.
Zitelmann ist Autor von mittlerweile 26 Büchern, die sich hauptsächlich mit den Themen Kapitalismus, Erfolg, Zielsetzung und Finanzen beschäftigen und mittlerweile in vielen Sprachen übersetzt wurden. Er war wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin, Cheflektor und Mitglied der Geschäftsleitung der Verlage Ullstein und Propyläen, leitete mehrere Ressorts der Tageszeitung Die Welt und gründete ein Unternehmen zur Kommunikationsberatung in der Immobilienwirtschaft.
Inhalt
Wie Joseph A. Schumpeter (1883 – 1950), einer der bedeutendsten Ökonomen und Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts, in seinem Werk Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie* bereits festgestellt hat, ist Kapitalismuskritik nicht einfach nur eine Meinung. Kapitalismuskritik ist vielmehr eine Art Benimmregel, die zum guten Ton gehört.
Tatsächlich ist Kapitalismus ein Reizwort für viele Menschen. Niemand mag ihn und nur sehr selten spricht sich jemand öffentlich für ihn aus. Das aus gutem Grund, Kapitalismus wird schließlich mit sehr vielen schlimmen Dingen auf der Welt in Zusammenhang gebracht. Wer möchte schon ein System gutheißen, dass als Verursacher von soviel Leid auf der Welt verantwortlich gemacht wird?
Die meisten dieser Vorwürfe sind für Rainer Zitelmann jedoch haltlos und genau so hart wie sie formuliert sind widerlegt er sie mit zahlreichen Fakten. Konkret geht es um folgende 10 Irrtümer der Kapitalismuskritiker:
- Kapitalismus ist verantwortlich für Hunger und Armut
- Kapitalismus führt zu steigender Ungleichheit
- Kapitalismus ist schuld an Umweltzerstörung und Klimawandel
- Kapitalismus führt zu immer neuen Wirtschaftskrisen
- Kapitalismus ist undemokratisch – die Reichen bestimmen die Politik
- Kapitalismus führt zu Monopolen
- Kapitalismus fördert Egoismus und Profitgier – Menschlichkeit geht verloren
- Kapitalismus erzeugt künstliche Bedürfnisse durch Werbung und fördert unnötigen Konsum
- Kapitalismus führt zum Krieg
- Kapitalismus führt zum Faschismus
Kapitalismus – ein Nullsummenspiel?
Der Kapitalismus wird gerne für Hunger und Armut in der Welt verantwortlich gemacht. Diese Annahme rührt von der Vorstellung, dass Wohlstand wie ein großer Kuchen betrachtet wird, der in einem Nullsummenspiel verteilt wird. Dabei würden sich besonders privilegierte und reiche Menschen die größten Stücke sichern, während für die Schlechtergestellten automatisch weniger übrig bleibt. Ein Mehr auf der einen Seite führt dieser Annahme zufolge also zwangsläufig zu einem Weniger auf der anderen Seite.
Wie Zitelmann erläutert, ist Wohlstand jedoch kein Nullsummenspiel und auch nicht als Kuchen fixer Größe zu verstehen, den es zu verteilen gilt. Stattdessen ist Wohlstand ein Kuchen, der unter marktwirtschaftlichen Bedingungen konstant weiter wächst und die Armut auf der Welt bisher enorm reduzieren konnte und noch weiter reduzieren kann.
Armut hat keine Ursachen, Wohlstand hat Ursachen
Wie Johan Norberg schon in seinem Buch Fortschritt erläutert hat, haben die meisten Menschen eine viel zu romantische und äußerst unrealistische Vorstellung vom Leben zu vorkapitalistischen Bedingungen. Man stellt sich ein solches Leben zwar durchaus entbehrungsreicher vor als heute, allerdings auch ruhiger, naturverbundener, idyllischer und gemeinschaftlicher. Ein genauerer Blick in die vorkapitalistische Vergangenheit führt jedoch sehr schnell zu Ernüchterung.
Armut war schon immer da, Wohlstand hingegen nicht. Bevor der Kapitalismus entstand, lebten die meisten Menschen auf der Welt in extremer Armut. Selbst Europa, das noch als relativ gut situiert galt, wurde vor der Industrialisierung regelmäßig von schweren Hungersnöten heimgesucht. Anfang des 19. Jahrhunderts waren noch 90 Prozent weltweit von extremer Armut betroffen. Heute ist der Anteil auf unter 10 Prozent gesunken.
Besonders interessant ist, dass sich erst in den letzten Jahrzehnten, seit dem Ende der sozialistischen Planwirtschaften in China und anderen Ländern, der Rückgang der Armut so stark beschleunigt hat, wie nie zuvor. In China betrug der Bevölkerungsanteil, der in extremer Armut leben musste, im Jahr 1981 noch 88 Prozent. Heute, vier Jahrzehnte später, sind es weniger als ein Prozent.
Ist der Kapitalismus das Paradies auf Erden?
Was Zitelmann auszeichnet, ist sein nüchterner und geerdeter Blick auf die Sozialismus-Kapitalismus-Kontroverse, wenngleich es ganz klar sein Ziel ist, den Kapitalismus zu verteidigen. Für ihn ist es aber auch wichtig festzuhalten, dass es in der Realität weder den Sozialismus, noch den Kapitalismus in der jeweiligen Reinform gibt. Stattdessen existieren Mischformen, die meist entweder eher sozialistisch oder kapitalistisch geprägt sind.
Ein völlig kapitalistisches System, wie es etwa von Hardlinern wie Thorsten Polleit (vgl. dazu Der Antikapitalist) gefordert wird, ist aus Zitelmanns Sicht genauso utopisch wie lupenreiner Sozialismus und somit ebenso wenig erstrebenswert. Ein System komplett ohne staatliche verankerte Grundregeln würde einer Gesellschaft wohl genauso schaden, wie ein System, indem der Staat alles regelt. Dennoch lässt sich sehr klar zeigen, dass es einer Bevölkerung in der Regel umso besser geht, je freier die wirtschaftlichen Bedingungen sind.
Kapitalismus hat gewiss nicht nur positive Seiten. Alle bisherigen sozialistischen Experimente sind bislang jedoch ausnahmslos gescheitert und haben die Menschen durchwegs ärmer gemacht. Bei passionierten Kapitalismuskritikern wie etwa der aktuellen Bewegung der Millenial Socialists wird dieses Argument jedoch nicht anerkannt. Stattdessen wird argumentiert, dass es den „echten“ Sozialismus in der Vergangenheit noch nie gegeben habe. Insofern könne er auch noch nicht gescheitert sein.
Diese Argumentation folgt in der Regel jedoch erst nach dem Scheitern eines sozialistischen Experiments. In den Anfangszeiten sozialistischer Regime findet man hingegen sehr wohl Bewunderung und Anerkennung von bekannten Vertretern sozialistischer Gruppen. Dies ist eine immer wiederkehrende Systematik, die Kristian Niemietz in seinem Buch Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt* identifiziert und ausführlich erläutert.
Das Grundproblem, dass sich die Vorstellung einer besseren Gesellschaft in einem sozialistischen System so hartnäckig hält, besteht für Zitelmann vor allem darin, dass die vorherrschende Realität immer mit einer Utopie verglichen wird. Ein existierendes System wird letztlich immer schlechter abschneiden, wenn es mit einer fiktiven Idealwelt verglichen wird, die jedoch keinerlei Bezug zur Realität bisheriger sozialistischer Experimente aufweist.
„Sozialismus sieht auf dem Papier immer gut aus (außer, wenn es ein Geschichtsbuch ist).“
Fazit
Zitelmann liefert mit Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten eine hervorragende Fortsetzung des Vorgängers Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Das Buch bietet eine enorme Sammlung an Argumenten, die den Kapitalismus als Wirtschaftssystem verteidigen und zwar im Hinblick auf die am meisten vorgebrachten Einwände von Kapitalismuskritikern.
Besonders empfehlenswert sind aus meines Erachtens die ersten fünf Kapitel (Hunger und Armut, Ungleichheit, Umweltzerstörung und Klimawandel, Wirtschaftskrisen, die Reichen bestimmen die Politik), sowie aus (leider) aktuellem Anlass auch das Kapitel 9 (Kapitalismus führt zum Krieg). Auch die zweite Hälfte des Buchs ist sehr empfehlenswert, besonders die historischen Erläuterungen Zitelmanns zu antikapitalistischen Alternativen oder seine Argumente zur Einstufung des Antikapitalismus als politische Religion.
Die Umfrageergebnisse über die Wahrnehmung des Kapitalismus in verschiedenen Ländern werden sehr detailliert präsentiert und sind im Vergleich zum Rest des Buchs relativ trocken und auch etwas schwieriger zu lesen. Alle Kapitel im Buch können allerdings je nach persönlicher Interessenlage unabhängig voneinander gelesen werden.
Es benötigt bestimmt ein gewisses Maß an Offenheit gegenüber der Thematik, um von dem Buch profitieren zu können. Wer sich selbst als überzeugter Antikapitalist sieht, wird vermutlich erst gar nicht zu dem Buch greifen und selbst wenn, würde das Buch diese Lesergruppe vermutlich nicht abholen können.
Wer dem Thema ambivalent gegenübersteht, etwa die Errungenschaften der Marktwirtschaft schätzt und anerkennt, dennoch mögliche Schattenseiten näher beleuchten möchte, die häufig damit in Zusammenhang gebracht werden, für den dürfte das Buch geradezu ideal sein und zu neuen Erkenntnissen führen.
Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten ist jedenfalls gleichermaßen geeignet für Leser, die sich mit dem Thema bereits näher befasst haben, als auch für jene, die einen Einstieg dazu finden möchten. In letzterem Fall lautet die Empfehlung des Autors allerdings, zuerst den gelungenen Gastbeitrag Marktwirtschaft und allgemeiner Wohlstand von Weiying Zhang am Ende des Buchs zu lesen, bevor man sich dem restlichen Buch widmet.
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Weiterführende Literatur
Wie immer findet man am Ende der Rezension weiterführende Literatur zum Thema. Wer Gefallen an dem Buch findet und das Vorgängerbuch Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung noch nicht gelesen hat, dem kann das Buch sehr empfohlen werden. Im Unterschied zu Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten nimmt der Autor seine Leser mit auf eine Zeitreise durch fünf Kontinente, um die Errungenschaften des Kapitalismus im Hinblick auf Armut bzw. Wohlstand in der Bevölkerung. Sehr interessant sind in dem Buch zudem die Thesen Zitelmanns, warum gerade Intellektuelle den Kapitalismus nicht mögen.
Eine gute Ergänzung finden Interessierte zudem im Buch Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt* von Kristian Niemietz, der zudem eine interessante Systematik identifiziert, nachdem die sozialistischen Experimente der Vergangenheit dieselben drei Phasen durchlaufen haben, von den „Flitterwochen“ der anfänglichen Euphorie bis zum Scheitern des Experiments.
Wer sich allgemein für eine faktenbasierte Weltsicht interessiert und den meist negativ gefärbten Blick auf die Welt hinterfragen möchte, dem können insbesondere die Bücher Factfulness von Hans Rosling, Fortschritt von Johan Norberg und Aufklärung jetzt* von Steven Pinker empfohlen werden.
Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung*
In diesem Buchnimmt der Autor Dr. Dr. Rainer Zitelmann die Leserschaft mit auf eine Zeitreise durch fünf Kontinente, um die Errungenschaften des Kapitalismus zu präsentieren. Zitelmanns Werk ist ein starkes Plädoyer für den Kapitalismus und einer freien Marktwirtschaft.
Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt*
Warum ist Sozialismus gerade bei der Generation der Millenials so populär, wo es doch innerhalb der letzten 100 Jahre mehr als zwei Dutzend gescheiterte Versuche gegeben hat, sozialistische Gesellschaften zu etablieren? Kristian Niemietz geht dieser Frage in seinem Buch Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt auf den Grund und identifiziert in seiner historischen Analyse zudem drei Phasen, die sozialistische Systeme in der Vergangenheit üblicherweise durchlaufen haben, bevor sie letztlich scheiterten.
Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist*
Factfulness von Hans Rosling ist ein Buch voller Fakten und Zahlen, mit denen vor allem eines belegt werden soll: Die meisten Menschen haben ein völlig verzerrtes und viel zu dramatisches Bild von der Welt. Es ist das erklärte Ziel des Statistikers und Wissenschaftlers Hans Rosling, ein faktenbasiertes Weltbild zu vermitteln und zu erklären, warum wir so eine negative Sicht auf unsere schöne Welt haben und was wir tun können, um dieses völlig verzerrte Bild wieder ein Stück weit ins rechte Licht zu rücken.
Fortschritt: Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer*
Johan Norberg knüpft mit Fortschritt bei „Factfulness“ von Hans Rosling an und holt die Leserinnen und Leser aus ihrer Negativitätsblase mit Fakten und offiziellen Zahlen der Vereinten Nationen, der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation heraus. Für ihn ist es klar – wir dürfen sehr optimistisch in die Zukunft blicken. Ein Buch, mit einer positiven Botschaft.
Aufklärung jetzt: Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt.*
Eine leidenschaftliche Antithese zum üblichen Kulturpessimismus und ein engagierter Widerspruch zu dem weitverbreiteten Gefühl, dass die Moderne dem Untergang geweiht ist. Hass, Populismus und Unvernunft regieren die Welt, Wissenschaftsfeindlichkeit macht sich breit, Wahrheit gibt es nicht mehr: Wer die Schlagzeilen von heute liest, könnte so denken. Doch Bestseller-Autor Steven Pinker zeigt, dass das grundfalsch ist. Das „absolute Lieblingsbuch aller Zeiten“ von Bill Gates.
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