Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Das Buch Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut, sich nicht zu verbiegen* vom japanischen Autorenduo Ichiro Kishimi und Fumitake Koga wurde erstmals in Japanisch im Jahr 2013 veröffentlicht. Es versteht sich als Ratgeberbuch, das die Erkenntnisse der Individualpsychologie von Alfred Adler aufgreift, die in gewisser Hinsicht in Kontrast zu den Erkenntnissen von Sigmund Freud und Carl Gustav Jung stehen.
Ein totunglücklicher junger Mann besucht einen Philosophen, in der Hoffnung, Auskünfte zu seiner angstbesetzten Weltsicht zu bekommen, in der Glück eine absurde Vorstellung ist. Die beiden verbringen fünf gemeinsame Abende und treten einander in einem platonischen Dialog gegenüber.
Autor
Ichiro Kishimi wurde 1956 in Kyoto in Japan geboren. Er hat ein ausgeprägtes Interesse an der klassischen westlichen Philosophie und spezialisierte sich auf die Platonischen Lehren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Psychologie Alfred Adlers, über die er schreibt, Vorträge hält und für die Japanese Society of Adlerian Psychology als Berater tätig ist. Er hat ausgewählte Werke Adlers ins Japanische übersetzt und zudem eine Einführung in die Psychologie Adlers sowie zahlreiche andere Bücher verfasst.
Fumitake Koga wurde 1973 geboren ist preisgekrönter Bestsellerautor und hat zahlreiche berufsbezogene und allgemeine Sachbücher veröffentlicht. Mit ebenfalls einem ausgeprägtem Interesse für die Psychologie Alfred Adlers hat er mehrfach Ichiro Kishimi in Kyoto besucht und mit ihm über das Wesen der Psychologie Adlers zu sprechen. Dabei sind viele Notizen entstanden, die letztlich für das klassische Dialogformat des vorliegenden Buches verwendet wurden.
Inhalt
Das Buch gliedert sich in fünf Abende an denen der Philosoph und der junge Mann in den Dialog treten, um über das Wesen der Psychologie Adlers zu sprechen. Gleich zu Beginn geht der junge Mann in Opposition und fordert den Philosophen auf, ihn von seinen Behauptungen zu überzeugen, dass die Welt ein einfacher Ort sei, an denen jeder Mensch sich ändern und dadurch glücklich werden könne.
Die Individualpsychologie von Alfred Adler – nicht die Ursache zählt, sondern das Ziel
Und so führt der Philosoph den jungen Mann über das Buch und die verschiedenen Abende hinweg immer näher an die Lehren der Individualpsychologie Adlers heran. Die Lehre Adlers steht insofern in Kontrast zu den Annahmen von Freud und Jung, da man bei Adler nicht wie bei Freud auf die Ursache, sondern auf das Ziel eines Verhaltens blickt. Demnach sind Menschen nicht von den Ursachen in ihrer Vergangenheit angetrieben, sondern handeln, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Zwar werden wir von unserer Vergangenheit beeinflusst, sie bestimme aber unser Leben nicht, sondern wir können uns jederzeit ändern.
So veranschaulicht der Philosoph dies am Beispiel eines jungen Mannes, der davon träumt, Romanautor zu werden. Es gelingt diesem Mann jedoch nicht, das Manuskript fertigzustellen, da er seiner Darstellung zufolge von seinem Job zu sehr beansprucht wird und daher nicht ausreichend Zeit für die Fertigstellung des Romans findet. So sei er auch daran gehindert, den fertigen Roman bei einem literarischen Wettbewerb einzureichen. So die Darstellung und die Sicht des jungen Schriftstellers.
Der Philosoph offenbart den wahren Grund gemäß der Lehre Adlers. Demnach hält sich der junge Autor die Möglichkeit offen, es zu können, wenn er nur wollte. Tatsächlich bemüht er sich nicht ernsthaft darum, da er seine Arbeit keiner Kritik aussetzen möchte und unter Umständen abgelehnt werden könnte. Stattdessen möchte er in einem Bereich der Möglichkeiten leben, wo er sagen kann, er könnte es, wenn er nur die Zeit dazu hätte und die Umstände es erlauben würden, denn das Talent dazu hätte er. Nach einigen Jahren würde er andere Gründe finden, etwa zu alt zu sein oder nun Familie zu haben, um die er sich kümmern müsse.
Vom Minderwertigkeitsgefühl zum Minderwertigkeitskomplex
Ein wirklich prägnanter Abschnitt des Buchs behandelt das Thema Minderwertigkeitsgefühle. Nach Adler werden alle Menschen mit einer Art von Minderwertigkeitsgefühl geboren. Diese sind nichts Schlechtes, sondern ganz im Gegenteil sogar wichtig, um dadurch zu wachsen und nach Unabhängigkeit streben zu können. Entschließt man sich hingegen dazu, mit seinen Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen zu leben, so entwickelt sich aus einem Minderwertigkeitsgefühl ein Minderwertigkeitskomplex. Dies ist ein Zustand eines dauerhaften Minderwertigkeitsgefühls der zu Hilflosigkeit und der Überzeugung führt, nichts an der eigenen Misere ändern zu können. Hier wird die Eigenverantwortlichkeit des Menschen betont, sich selbst für oder gegen sein Glück zu entscheiden.
Hat sich der Minderwertigkeitskomplex bereits entwickelt, so wird unter Umständen auf wenig günstige Weise versucht, diesen zu kompensieren, etwa durch Prahlereien und Angebereien. Ein Überlegenheitskomplex ist nach Adler also immer ein Ausdruck eines Minderwertigkeitskomplexes:
„Wer prahlt, tut das nur aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus“ –Alfred Adler
Angeberei kann sich dabei auch so äußern, dass etwa mit dem eigenen Unglück geprahlt wird („Niemand geht es so schlecht wie mir!“).
Kritik wird bei einem Minderwertigkeitskomplex zum roten Tuch. Daher wird sie auch um jeden Preis vermieden. Damit sie vermieden werden kann, wird das eigene Verhalten oft an die Mehrheit angepasst und die Meinung der anderen erhält einen übermäßig hohen Stellenwert.
Auch Wettbewerbsdenken kann aus einem Minderwertigkeitsgefühl resultieren. Man sucht nach Anerkennung, indem man andere zu übertrumpfen versucht. Dass man allerdings nicht immer besser sein kann als alle anderen, liegt auf der Hand. Bei ausgeprägtem Wettbewerbsdenken wird man sich daher immer wieder als Verlierer fühlen und obendrein Groll gegen andere hegen, die in gewissen Dingen erfolgreicher sind als man selbst. Man wird ihnen diese Erfolge nicht gönnen und sie darum beneiden.
Vom Mut, Verantwortung zu übernehmen und sich selbst zu akzeptieren
Mit Freiheit hat eine solche Denkweise nichts zu tun. Freiheit kann nach Adler nur dann erlangt werden, wenn der Mensch den Mut aufbringt, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und die Herausforderungen des Lebens anzunehmen und persönlich zu wachsen. Dabei soll man sich möglichst nicht mit anderen vergleichen und seine Mitmenschen nicht als Rivalen betrachten.
Bei Adler wird auch die Wichtigkeit der Selbstakzeptanz betont. Wenn man sich selbst so akzeptiert wie man ist, kann letztlich entscheiden, sich dann zu ändern, wenn man dies selbst möchte und nicht durch den Zwang, dadurch Anerkennung durch andere zu erlangen.
Hier stellt der Philosoph das Konzept der Aufgabentrennung vor, nach der man zwischen den eigenen Wünschen und denen anderer unterscheiden muss, um sich in weiterer Folge auf seine eigenen zu konzentrieren. Da wir uns selbst sehr oft als Nabel der Welt wahrnehmen sollten wir diese auch nicht auf andere übertragen.
Dies ist jedoch keine Anregung zu einer egoistischen oder egozentrischen Lebensweise. Ganz im Gegenteil wird das Gemeinschaftsgefühl hervorgehoben und die Wichtigkeit, sich in einer Gemeinschaft zu engagieren. Da es dem Leben Sinn verleiht, für andere von Nutzen zu sein, führt dies nach Adler letztlich zum persönlichen Glück.
Kritik
Das Buch ist gewiss keine wissenschaftliche Abhandlung und auch keine therapeutische Anleitung zu einem besseren Leben. Aber es regt zum Nachdenken an und gibt konstruktive und wertvolle Anstöße, wie man gut oder besser durch das Leben kommt, indem man sich etwa der eigenen Minderwertigkeitsgefühle bewusst wird und lernt mit diesen auf konstruktive Art und Weise umzugehen und diese sogar für sich zu nutzen lernt. Genau darin liegt aus meiner Sicht auch der größte Wert des Buchs.
Der platonische Dialog zwischen einem älteren Gelehrten und einem hilfesuchenden Schüler wirkt nicht mehr ganz zeitgemäß und braucht beim Lesen anfangs etwas Eingewöhnungszeit. Zugegebenermaßen hat mich die Dialogform zunächst eine Weile davon abgehalten, das Buch zu lesen.
Die insgesamt fünf Abende, an denen der junge Mann mit dem Philosophen spricht, sind jeweils als komplette Unterhaltungen zwischen den beiden verfasst. Die Unterhaltungen sind stets fließend, werden aber durch einzelne kleinere Unterkapitel mit aussagekräftigen Überschriften unterteilt, was dem Buch jedenfalls sehr gut tut und auch das Zurechtfinden im Buch beim späteren Nachschlagen deutlich erleichtert.
Die beispielhaften Geschichten verschiedener Personen, die diskutiert werden, sind sehr lebensnah gehalten und verleihen dem Buch und den Erkenntnissen Adlers auch eine gute Praxisnähe.
Fazit
Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut, sich nicht zu verbiegen* ist eine praxisnahe Heranführung an die Erkenntnisse der Individualpsychologie von Alfred Adler, die als Dialog zwischen einen Philosophen und einem jungen Mann in dem vorliegenden Buch aufbereitet wurde. Dabei wird der junge Mann an insgesamt fünf Abenden, an denen er den Philosophen besucht, Schritt für Schritt an die Psychologie Adlers herangeführt, bis er diese nach vielen Diskussionen schließlich annehmen kann.
Die wesentlichen Aussagen des Buches sind die Möglichkeit, sich jederzeit ändern zu können, auch in Anbetracht der eigenen Vergangenheit. Dies erfordert Mut, Verantwortung für das eigenen Leben zu übernehmen, sich den Herausforderungen zu stellen und das Risiko einzugehen, nicht von allen gemocht zu werden. Erst durch die Akzeptanz der eigenen Person wird es möglich die eigenen Wünsche und Erwartungen von jenen anderer abzugrenzen und ein Leben zu gestalten, das anderen Menschen in einer Gemeinschaft von Nutzen ist und dennoch mit den eigenen Wünschen in Einklang steht. Dies bedeutet letztlich die ersehnte Freiheit und das vom Menschen ersehnte Glück.
Wer sich für eine lebensnahe Heranführung an die Lehren Alfred Adlers in Form eines Ratgeberbuchs interessiert, Denkanstöße für das eigene Leben sucht und sich an der Dialogform des Textes nicht stört, der ist sehr gut beraten, dieses Buch zu lesen.
Das Buch gibt es auch als Hörbuch* bei Audible. Du kannst Audible hier für 30 Tage lang kostenlos testen (Affiliate-Link):
Pro & Contra
Weitere Literatur der Autoren
Du bist genug: Vom Mut, glücklich zu sein*
In der Fortsetzung des Bestsellers Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut sich nicht zu verbiegen* von Ichiro Kishimi und Fumitake Koga geht es um die Umsetzung der Erkenntnisse Adlers im Alltag und wie sich das Glück im Leben finden lässt. Erneut diskutiert der junge Mann mit dem Philosophen, um zu neuen Einsichten zu gelangen.
Weitere Bücher zum Thema
Alfred Adler Studienausgabe*
Diese Studienausgabe umfasst sieben Bände der wichtigsten Schriften von Alfred Adler, welche die Theorieentwicklung der Individualpsychologie dokumentieren. Die einzelnen Bänder werden jeweils von namhaften Autoren der Individualpsychologie herausgegeben und umfassen die Bänder Persönlichkeit und neurotische Entwicklung – Frühe Schriften (1904–1912), Über den nervösen Charakter (1912), Persönlichkeitstheorie, Psychopathologie, Psychotherapie (1913–1937), Schriften zur Erziehung und Erziehungsberatung (1913–1937), Menschenkenntnis (1927), Der Sinn des Lebens (1933) und Kultur und Gesellschaft (1897–1937).
Praxis und Theorie der Individualpsychologie*
Das Buch wurde von Alfred Adler erstmals 1920 veröffentlicht und wurde von Adler aus bearbeiteten Vorträgen, Zeitschriftenartikeln und Forschungsarbeiten zusammengestellt. Es versteht sich als eine Einführung in seine Form der Psychotherapie. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf dem Krankheitsbild der Neurosen.
Menschenkenntnis*
„Menschenkenntnis“ ist eines der drei Hauptwerke von Alfred Adler. Es wurde erstmals 1927 veröffentlicht und versteht sich als wissenschaftliche Disziplin, auf der Suche nach dem Gesetz der seelischen Entwicklung des Menschen.
Der Sinn des Lebens*
„Der Sinn des Lebens“ ist das dritte Hauptwerk von Alfred Adler, das 1933 erstmals erschien und das letzte größere seiner Werke darstellt. Alfred Adler beschäftigt sich in seiner Analyse in diesem Buch mit den Zusammenhängen und Unterschieden zwischen dem subjektiven und gemeinschaftlichen Erleben von Sinnhaftigkeit.
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