Einleitung
Intelligenz wird traditionell als die Fähigkeit zu denken und zu lernen betrachtet. Doch in einer turbulenten Welt dürfte eine andere kognitive Fähigkeit noch viel wesentlicher sein: die Fähigkeit, umzudenken und umzulernen. In Think Again: Die Kraft des flexiblen Denkens erläutert Adam Grant wie und warum uns unsere kognitive Trägheit daran hindert, Dinge neu zu durchdenken und wir stattdessen lieber an alten Ansichten festhalten. Vor allem widmet er sich auch der Frage, wie uns das Umdenken gelingen kann, und zwar auf individueller, interpersoneller und auf kollektiver Ebene.
Der Autor: Adam Grant
Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School in Philadelphia. Seine Bücher wurden millionenfach verkauft und seine Forschungsarbeiten zu den Themen Motivation und Produktivität erfuhren vielfach Anerkennung, unter anderem auch von Nobelpreisträger Daniel Kahneman, einem der Entwickler der Prospect Theory und Autor des internationalen Bestsellers Schnelles Denken, langsames Denken*.
Think Again: Inhalt
Es hat verschiedene Gründe, meist sehr tiefliegende, warum wir uns nur sehr ungerne von unseren Ansichten trennen. Dabei gelingt es uns in vielen Bereichen des Lebens ganz gut, uns immer wieder zu ändern und anzupassen. Unsere Garderobe erneuern wir bereitwillig, wenn sie aus der Mode gekommen ist, und allgemein scheinen wir bei unseren Besitztümern weniger Schwierigkeiten damit zu haben, uns zu erneuern. Nur bei unserem Wissen und unseren Meinungen lassen wir uns nicht so leicht beirren. Wir lachen zwar über Menschen, die immer noch Windows 95 benutzen, haben aber kein Problem damit, an unseren Meinungen festzuhalten, die wir uns 1995 gebildet haben.
Adam Grants Ziel ist es, zu erforschen, wie Umdenken geschieht, welche Faktoren es begünstigen und welche es behindern. Think Again: Die Kraft des flexiblen Denkens gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es darum, wie wir selbst unseren Geist öffnen können („Individuelles Umdenken“). Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Frage, wie wir andere Menschen dazu bringen können, ihre Meinungen zu überdenken („Interpersonelles Umdenken“). Im dritten Teil geht es schließlich darum, wie sich Gemeinschaften lebenslang Lernender schaffen lassen („Kollektives Umdenken“).
Warum Umdenken?
Warum sollte man überhaupt ständig umdenken? Die meisten von uns sind schließlich stolz auf ihr Wissen und darauf, ihren Meinungen und Überzeugungen treu zu bleiben. Das vermittelt oft den Eindruck einer sehr standhaften Persönlichkeit und in einer stabilen Welt hätte dies durchaus Sinn. Wir leben jedoch in einer sich schnell verändernden Welt, in der Umdenken mindestens genauso wichtig ist, wie das Denken selbst.
Wie bereits Nassim Nicholas Taleb in seinem Buch Narren des Zufalls festgestellt hat, wohnt dem Prozess, sich einen akademischen Grad im Bereich der Wissenschaften zu erarbeiten, ein gewisser Widerspruch inne. Die Doktorwürde wird letztlich jenen Anwärtern verliehen, die es vermögen, ihre wissenschaftliche Arbeit im Rahmen einer Defensio vor einem Expertenkommitee zu verteidigen.
Doch sollte ein Wissenschaftler nicht eher daran interessiert sein, sich von seinen Thesen und Überzeugungen immer wieder zu trennen? Wieviele Wissenschaftler sind im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere tatsächlich bestrebt, ihre mühsam belegten Erkenntnisse wieder zu verwerfen? Und auch abseits der Wissenschaft – wer will schon den Eindruck erwecken, er sein ein Wendehals oder gar ein Heuchler?
Narren des Zufalls ist ein Buch, das Nassim Nicholas Taleb aus dem Bauch heraus geschrieben hat und das in erster Linie zum Vergnügen gelesen werden sollte. Es ist keine wissenschaftliche Abhandlung innerhalb des Gebiets der Zufallsforschung, vielmehr ein persönlicher Essay des Autors.
Das Buch konzentriert sich darauf, wie sich die Menschheit durch den Zufall narren lässt. Dass der Zufall unserem Verstand gerne mal einen Streich spielt ist offensichtlich. So erscheinen uns Ereignisse der Vergangenheit rückblickend immer weniger zufällig, als sie es tatsächlich waren. Die herausragenden Erfolge mancher Personen schreiben wir hauptsächlich ihren Fähigkeiten zu, statt dem Zufall. Narren des Zufalls ist ein lesenswertes Buch mit einer außergewöhnlich eleganten Sprache und jeder Menge speziellem Humor.
Daniel Kahneman macht es vor
Als Adam Grant bei einem wissenschaftlichen Kongress Forschungsergebnisse präsentierte, fiel ihm ein prominenter Gast im Publikum auf. Es war Daniel Kahneman, ein Wissenschaftler von Weltrang, eine Koryphäe in seinem Gebiet und der erste Psychologe, dem der Wirtschaftsnobelpreis verliehen wurde. Adam Grant fühlte sich voller Ehrfurcht und nicht ganz wohl bei seiner Präsentation, denn seine Ergebnisse widerlegten in gewisser Hinsicht jene von Kahneman.
Wie reagierte Kahneman auf die Präsentation von Adam Grant? Er verhielt sich wie ein Wissenschaftler. Die beiden aßen gemeinsam zu Mittag, Kahneman gratulierte Grant zu seiner Arbeit und zeigte sich regelrecht begeistert davon, dass seine Arbeit widerlegt wurde und er sich geirrt hatte. Kahneman hatte die Präsentation von Grant regelrecht genossen. Natürlich verwunderte dies Grant etwas, aber Kahneman erklärte es ihm. Als Wissenschaftler ist seine Meinung nicht mit seiner Identität verbunden. Sein Team bringe er immer wieder zur Verzweiflung, da er so häufig seine Meinung ändere, aber das sei schließlich seine Aufgabe.
Kahneman ist gewissermaßen ein Vorzeigebeispiel, wenn es darum geht, sich selbst und die eigenen Ansichten immer wieder aufs Neue zu hinterfragen und es ist letztlich das Plädoyer von Grant an seine Leser, es ihm gleich zu tun. Wenn es um unser Wissen, unsere Sachkompetenz und unsere Meinungen geht, neigen wir nämlich dazu, die Rolle eines Predigers, eines Staatsanwalts oder eines Politikers einzunehmen. Stattdessen sollten wird jedoch wie ein Wissenschaftler denken, wie jemand, der von Neugierde und Demut angetrieben wird, um sich stets weiter zu entwickeln.
Intelligenz ist nicht immer ein Segen
Manche Menschen tun sich mit dem Umdenken besonders schwer. Wie Forschungen zeigen, fällt dies etwa intelligenten Menschen deutlich schwerer, da sie Muster schneller erkennen und daher häufiger auf Stereotype hineinfallen.
Auch übermäßig selbstbewusste Menschen haben große Schwierigkeiten damit, sich von ihren Ansichten zu trennen. Wer am sogenannten Besserwisser-Syndrom leidet, ist blind gegenüber seinen Schwächen. Das Selbstvertrauen ist größer als die Kompetenz. Wir alle kennen die Fußballfans, die fest davon überzeugt sind, zu Hause vor dem Fernseher bessere Entscheidungen treffen zu können, als der Trainer an der Seitenlinie. David Dunning und Justin Krueger sollten berühmt für ihre Arbeiten werden, aus denen der Dunning-Krueger-Effekt hervorging, demzufolge wir am ehesten dann vor übermäßigem Selbstbewusstsein strotzen, wenn uns die Kompetenz fehlt.
Es gibt auch ein Gegenteil zum Besserwisser-Syndrom, das sogenannte Impostor-Syndrom („Hochstapler-Syndrom“). Diese Menschen unterschätzen sich selbst und ihre Fähigkeiten, sodass die Kompetenz in der Regel größer ist, als das Selbstvertrauen. Betroffene erleben dies als sehr belastend und anstrengend, zumal großes Selbstvertrauen als eine sozial sehr erwünschte Eigenschaft gilt.
Adam Grants Zugang ist jedoch jener, dass der Zweifel an der eigenen Kompetenz im Hinblick auf das Umdenken große Vorteile haben kann. Menschen, die sich selbst unterschätzen, haben die nötige Demut und Neugierde, die es benötigt, um einen Umdenkzyklus in Gang zu setzen. Ideal ist eine Eigenschaft, die er als selbstbewusste Demut bezeichnet – der Glaube an unsere Fähigkeiten, verbunden mit dem Bewusstsein, dass wir vielleicht (noch) nicht die richtige Lösung haben.
Andere zum Umdenken bewegen
Die eigene Meinung zu ändern ist das eine, doch das Buch behandelt vor allem auch die Möglichkeiten und Mechanismen, mit denen andere Menschen dazu angeregt werden, ihre Ansichten zu überdenken. So geht Adam Grant etwa der Frage nach, was geschickte Verhandler anders machen, als durchschnittliche Verhandler.
Dabei sollte erwähnt werden, dass Grant nicht nur Forschungsarbeiten präsentiert, sondern auch Einblicke in seine organisationspsychologische Tätigkeit gewährt, die er bei Unternehmen einbringt, von denen er als Berater engagiert wird. So führte er entsprechende Maßnahmen in der Bill & Melinda Gates Foundation ein, welche die Mitarbeiter dazu ermutigt haben, mit ihren Vorgesetzten ehrlicher und offener über ihre Probleme in der Arbeit zu sprechen, da das enorme Wissen von Bill Gates für viele Mitarbeiter zu einschüchternd wirkte, um wirklich offen zu sein.
Auch bringt Grant ein Beispiel seiner Tätigkeit bei Pixar Animation Studios, bei dem er erläutert, warum unverträgliche Mitarbeiter für ein Team oftmals sehr bereichernd sein können, da sie durch ihre offene und direkte Art eher zum Umdenken bewegen, als verträgliche Mitarbeiter.
Er nimmt auch Bezug auf die Technik der motivierenden Gesprächsführung, bei der Motivation durch Befragung herbeigeführt wird. Es handelt sich dabei um eine Technik, die ihren Ursprung in der Behandlung von Suchterkrankungen hat, als man nämlich feststellte, dass die traditionelle Haltung Suchtkranken gegenüber bei diesen eher zu Widerstand als zu einer Verhaltensänderung führte.
Wie kann kollektives Umdenken gelingen
Themen wie die Pandemie oder der Klimawandel bringen uns dazu, komplexe Sachverhalte zur Vereinfachung in zwei Kategorien einzuteilen. Man spricht dabei von binärer Verzerrung. Dabei würde es genau diese Komplexität benötigen, um Selbstüberschätzungszyklen zu unterbrechen und Umdenkzyklen zu aktivieren.
In der Diskussion um den Klimawandel lassen sich beispielsweise mindestens sechs verschiedene Kategorien feststellen. Von der Behauptung, dass die CO2-Menge gar nicht zunimmt, bzw. selbst wenn sie zunimmt, keine Erderwärmung stattfindet, bzw. selbst wenn sie stattfindet, auf natürliche Ursachen zurückzuführen ist, bzw. selbst wenn die Menschen Erderwärmung verursachen, diese nicht so schlimm ist, bzw. selbst wenn die Auswirkungen doch nicht trivial sind, durchaus auch von Vorteil sind, bis hin zur Behauptung, selbst wenn die Situation wirklich schlimm wird, wir uns anpassen und das Problem lösen werden.
Es ist wichtig, Skeptiker von Leugnern zu unterscheiden und Grant erläutert auch, warum es gefährlich ist, Leugnern überhaupt eine öffentliche Plattform zu geben, um ihre Ansichten zu verbreiten. Wahre Experten wirken hingegen deutlich überzeugender, wenn sie auch Zweifel äußern und sich selbst nicht als unfehlbar präsentieren, da genau das Zugeben eigener Unzulänglichkeiten die nötige Demut und Neugier zum Ausdruck bringt, die letztlich andere dazu veranlassen kann, die eigenen Ansichten zu überdenken.
Einen großen Teil widmet Grant auch dem Thema Lernkulturen und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich solche wünschenswerter Weise entwickeln können. Lernkulturen sind von Leistungskulturen abzugrenzen. Umdenken geschieht eher in Lernkulturen, und jene Organisationen, denen es gelingt, diese zu etablieren, führen üblicherweise mehr Neuerungen ein und haben eine niedrigere Fehlerquote. Eine Lernkultur gedeiht dabei besonders dann, wenn eine bestimmte Kombination von psychischer Sicherheit und Verantwortlichkeit vorhanden ist.
Fazit: Wie entkommt man nun dem Tunnelblick?
Think Again: Die Kunst des flexiblen Denkens lädt sehr dazu ein, eigene und möglicherweise festgefahrene Ansichten zu hinterfragen und sich über die Mechanismen Gedanken zu machen, die dazu beitragen, dass wir uns nur sehr ungerne von ihnen trennen möchten. Der Hauptteil des Buches besteht jedoch in der Diskussion verschiedener Möglichkeiten, die dabei helfen, Umdenkprozesse in Gang zu setzen, und zwar auf individueller, interpersoneller und kollektiver Ebene.
Die Ausführungen von Grant sind allesamt sehr nachvollziehbar aufbereitet, werden mit vielen Beispielen aus der eigenen Praxis illustriert und es stellt sich ein sehr fesselndes Leseerlebnis ein. Wer sich für das Thema flexibles Denken interessiert, wird das Buch verschlingen und sich jede Menge Notizen machen. Adam Grant führt die Inhalte am Ende des Buchs nochmals in einem Fazit zusammen und gibt außerdem präsentiert er noch seine besten Umdenktipps zu jedem der drei Buchkapitel, damit das Umdenken auf allen Ebenen klappt.
Wer sich zum Ziel setzt, dem persönlichen und beruflichen Wachstum einen Entwicklungsschub zu verleihen, der wird sehr davon profitieren, die Möglichkeiten des Umdenkens als festen Bestandteil des täglichen Lebens zu etablieren. Für Adam Grant ist es letztlich jedem Menschen möglich, die Kunst des Umdenkens zu erlernen. Wem dies tatsächlich gelingt, hat gute Chancen von dieser Entwicklung zu profitieren und sowohl erfolgreicher im Beruf, als auch glücklicher im Leben zu sein.
Auch wenn es keinerlei Hinweise gibt, dass Albert Einstein diesen Satz je tatsächlich gesagt hat, erscheint er in diesem Zusammenhang dennoch äußerst passend:
„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
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Dass die guten Typen immer verlieren und die Egoisten gewinnen, ist ein Denkschema, das nicht mehr ganz aktuell ist. Der Organisationspsychologe Adam Grant erklärt anhand zahlreicher Beispiele aus der Wirtschaftswelt, dass Menschen mit einer selbstlosen Einstellung meist besser voran kommen und letztlich zufriedener und erfolgreicher sind, als jene, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.
Nonkonformisten: Warum Originalität die Welt bewegt*
Es ist ein Thema, das Adam Grant auch in Think Again: Die Kraft des flexiblen Denkens aufgreift. Kreativität ist nicht immer und überall gern gesehen. Vor allem in stark strukturierten Unternehmen haben es Nonkonformisten oft schwer, originelle Ideen einzubringen und einen Änderungsprozess in Gang zu setzen. Adam Grant zeigt, wie dies dennoch gelingen kann und hat dazu einen umfassenden Coaching-Ratgeber verfasst.
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Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut, sich nicht zu verbiegen vom japanischen Autorenduo Ichiro Kishimi und Fumitake Koga versteht sich als Ratgeberbuch, das die Erkenntnisse der Individualpsychologie von Alfred Adler aufgreift, die in gewisser Hinsicht in Kontrast zu den Erkenntnissen von Sigmund Freud und Carl Gustav Jungstehen.
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Schnelles Denken, langsames Denken*
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