Diversifikation
Die Risikostreuung bei Aktien & ETFs erläutert
Einleitung
Bevor es an die Bestimmung der Level-II-Asset-Allocation geht, also der Zusammensetzung des risikobehafteten Portfolioanteils, möchte ich in diesem Artikel noch gerne das Thema Diversifikation näher behandeln.
Wer es nicht darauf anlegt, sein Portfolio stark zu konzentrieren, um eine Überrendite gegenüber den Marktrenditen zu erzielen („den Markt schlagen“), wird sein Portfolio diversifizieren wollen. Was Diversifikation bedeutet und wie diese umzusetzen ist, erläutere ich in diesem Beitrag. Dabei gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten. In diesem Artikel werde ich meinen Standpunkt im Hinblick auf Diversifikation erläutern.
Warum Diversifikation so wichtig ist
Neben der Diversifikation über verschiedene Anlageklassen (Aktien, Immobilien, Rohstoffe, Anleihen usw.) profitiert man als Anleger auch von Diversifikation innerhalb einer Assetklasse, in diesem Falle innerhalb der Assetklasse Aktien bzw. Aktien-ETFs. Doch wozu überhaupt das Ganze?
Diversifikation ist ein Mittel zur Risikosenkung.
Diversifikation bedeutet im Prinzip nichts anderes als Risikostreuung. Statt die finanziellen Mittel in nur wenige Aktien zu stecken oder „alle Eier in einen Korb zu legen“, streut man diese über verschiedene Aktien verschiedener Branchen und verschiedener Länder. Der Vorteil ist, dass es zu keinen Renditeeinbußen kommt, wohl aber zu geringeren Renditeschwankungen und somit zu geringerem Risiko. Es handelt sich also um einen Risikosenkungsvorteil, der kostenlos erhältlich ist. Diversifikation ist der einzige sogenannte Free Lunch, den es beim Investieren gibt. Zudem ist sie leicht zu bewerkstelligen.
Diversifikation funktioniert besonders gut, wenn zwei Assets möglichst niedrig miteinander korrelieren. Je niedriger die Korrelation zwischen zwei Assets, umso besser eignen sich die beiden zur Diversifikation in einem Portfolio. Den maximalen Diversifikationsnutzen hätte eine negative Korrelation von -1, die sich jedoch (vor allem innerhalb derselben Assetklasse) in der Praxis so gut wie nie finden lassen wird. Theoretisch tragen alle Assets zur Diversifikation bei, die niedriger als mit einem Wert von +1 miteinander korrelieren. Die meisten Korrelationen werden sich jedoch im Bereich zwischen -0,20 und +0,99 bewegen (Kommer, 2018*).
Das Standardwerk von Gerd Kommer zu passiven Geldanlage in Indexfonds und ETFs sollte jeder gelesen haben, der sich für das Thema interessiert. Das detaillierte und wissenschaftlich orientierte Buch beinhaltet alle wichtigen Erläuterungen rund um das Thema und informiert über Anlagestrategien und die häufigsten Anlagefehler, die es zu vermeiden gilt, wenn man mit ETFs erfolgreich anlegen möchte.
Risiken, die durch Diversifikation beseitigt werden
Vollständig lässt sich das Risiko eines Portfolios nicht beseitigen. Das wäre auch nicht Sinn der Sache, denn Risiko und Rendite sind schließlich untrennbar miteinander verbunden. Renditen erhält man für das Eingehen von Risiken. Ohne Risiko keine Renditen. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss nicht automatisch, dass Risiken immer mit Renditen belohnt werden. Da es aber ohne Risiko keine Renditen gibt, werden Renditen daher oft auch als Schmerzensgeld für die eigegangenen Risiken bezeichnet. Dabei muss allerdings zwischen verschiedenen Risiken unterschieden werden, denn die Anleger werden vom Finanzmarkt nicht für das Tragen aller Risiken mit „Schmerzensgeld“ belohnt.
Unternehmensrisiko
Das Unternehmensrisiko, oft auch als Einzelwertrisiko oder unsystematisches Risiko bezeichnet, beschreibt das Risiko, aufgrund einer Investition in ein bestimmtes Wertpapier, Verluste zu erleiden. Gegen dieses Risiko bietet eine breite Diversifizierung einen gewissen Schutz.
Branchenrisiko
Das Branchenrisiko lässt sich ebenso durch eine breite Streuung über verschiedene Branchen eliminieren und kann ebenso noch dem unsystematischen Risiko zugeordnet werden.
Marktrisiko
Das Risiko des Gesamtmarkts kann letztlich nicht durch Diversifikation beseitigt werden. Es wird durch Bewegungen des breiten Markts verursacht und wird deshalb auch als Marktrisiko oder systematisches Risiko bezeichnet. Diversifizierung bietet hier kaum Schutz, wenn es zu negativen Bewegungen im gesamten Markt kommt.
Da das Unternehmensrisiko und das Branchenrisiko grundsätzlich durch Diversifikation weitgehend ohne Renditeverzicht beseitigt werden können, werden die Anleger vom Markt also grundsätzlich nur für das Tragen des Gesamtmarktrisikos „bezahlt“.
Diversifikation vs. Konzentration
Es gibt durchaus auch Gegner von Diversifikation. Sie bevorzugen ein sehr konzentriertes Portfolio mit nur wenigen Aktien. Die Argumentation lautet meist, dass man nur so „den Markt schlagen“ bzw. eine Überrendite erzielen könne. Man möchte nur in sehr wenige „Top-Unternehmen“ investieren, die sich von der allgemeinen Entwicklung am Markt abheben.
Betrachtet man die Liste der reichsten US-Amerikaner, so fällt auf, dass sie ihr Vermögen in kurzer Zeit durch eine hohe Konzentration in ein oder wenige Unternehmen aufgebaut haben. Sie waren also nicht gut diversifiziert. Das stimmt auch grundsätzlich.
Eine Konzentration des Portfolios kann ein sehr schneller Weg zu großem Wohlstand sein. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass Konzentration auch ein sehr schneller Weg zu geringem Wohlstand und Armut sein kann.
Wie Dr. Brian Portnoy in seinem Buch The Investor’s Paradox: The Power of Simplicity in a World of Overwhelming Choice* festhält, bedeutet Diversifizierung, dass man immer etwas zu bedauern hat. Damit ist gemeint, dass es in einem breit diversifizierten Portfolio immer laufende Gewinner und schlechte Performer gibt.
Vom psychologischen Standpunkt aus gesehen sind jedoch die Emotionen, die mit einem entgangenen Gewinn einhergehen, in ihrer Dauer und Intensität nicht mit den negativen Emotionen, die durch einen Verlust entstehen, vergleichbar. Wir hassen das Verlieren stärker, als wir den Gewinn lieben. Das Phänomen heißt Verlustaversion und wurde von Kahneman & Tversky in ihrer Prospect Theory (1979) beschrieben. Ein empfehlenswertes Buch dazu ist Schnelles Denken, langsames Denken* von Daniel Kahneman.
Da dies für die meisten Menschen zutrifft, stellt die Diversifikation für den durchschnittlichen Privatinvestor eine sehr gute und effiziente Methode des Risikomanagements dar.
Wieviel Diversifikation ist genug?
Ab wann gilt ein Portfolio nun aber als ausreichend diversifiziert? Auf diese Frage wird man viele unterschiedliche Antworten und Ansichten erhalten. Ich möchte jedoch an dieser Stelle Gerd Kommer (2018) zitieren, der klare Worte für die häufig verbreitete Annahme findet, dass ab etwa 20 bis 30 Aktien im Depot die Aufnahme weiter Aktien keinen weiteren Diversifikationsvorteil bringen würde:
„Tatsache ist: Nur wirklich globale Diversifikation über Tausende von Aktien aus Industrieländern und Schwellenländern hinweg produziert den theoretischen und praktischen Maximalnutzen von Diversifikation. Jede andere Aussage ist entweder grundfalsch oder stimmt nur unter bestimmten Einschränkungen.“ (S. 63)
Um vom maximalen Diversifikationsnutzen zu profitieren, bieten sich also Portfolios an, die weltweit und über alle Branchen hinweg diversifiziert sind und die am einfachsten durch marktbreites Index-Investing mittels ETFs realisiert werden können. Wie man solche ETF-Portfolios gestalten kann, darauf werde ich in einem zukünftigen Beitrag eingehen.
Literatur:
Kommer, Gerd (2018). Souverän Investieren in Indexfonds und ETFs. Wie Privatanleger das Spiel gegen die Finanzbranche gewinnen. Frankfurt: Campus Verlag.
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