FOMO und Verlustaversion beim Investieren
Warum wir selbst bei guten Ergebnissen an uns zweifeln
FOMO und Verlustaversion beim Investieren
Warum wir selbst bei guten Ergebnissen an uns zweifeln
John Bogle wusste es auch nicht…
Der vergangene Monat lief eigentlich ganz gut, zumindest für die meisten von uns. Laut meiner Umfrage bei Instagram erzielten 94 % der Teilnehmer im Oktober 2021 grüne Zahlen, nur 6 % erzielten ein Minus.
Doch da war er wieder, dieser Gedanke. Niemand ist vor ihm sicher. Selbst Investment-Legende John C. Bogle wurde immer wieder von ihm heimgesucht. So schreibt er in Das kleine Handbuch des vernünftigen Investierens:
„Mein persönliches Gesamtportfolio setzt sich zu jeweils rund 50 Prozent aus indexierten Aktien und Anleihen zusammen, überwiegend kurz- und mittelfristig indexiert. In meinem Alter (ich bin jetzt 88) fühle ich mich mit dieser Aufteilung wohl. Ich gebe jedoch offen zu, dass ich die halbe Zeit befürchte, zu viel in Aktien investiert zu haben, und die andere halbe Zeit, es könnte zu wenig sein.“
Der „Vater des Index-Investings“ John C. Bogle bündelt sein lebenslanges Wissen über die effizienteste Anlagemethode in insgesamt 20 Kapitel in diesem kompakten Buch. Der Gründer von Vanguard ist Pionier und Innovator in der Finanzbranche und hat im Jahre 1975 den weltweit ersten Indexfonds aufgelegt.
Der Oktober an der Börse
Werfen wir einen Blick auf die Oktoberperformance auf Indexbasis. Der MSCI World legte im Oktober 5,75 % zu. Das war nach dem März der zweitstärkste Monat in diesem Jahr, ebenso für den Eurostoxx 50, der 5 % erzielte. Der S&P 500 hatte im Oktober sogar seinen bisher besten Monat im Jahr 2021 mit einem Monatsschlusskurs von 6,91 %. Der Nasdaq 100 ebenso mit 7,90 %. Die Schwellenländer hinkten allerdings wieder etwas hinterher. Der MSCI Emerging Markets erbrachte keine nennenswerten Renditen, zeigt aber somit einmal mehr die vorteilhafte Korrelation und somit den Nutzen einer breiten Diversifikation eines Weltportfolios.
Auch ein Blick auf die bekannten Faktor-Indizes lohnt sich. Der bei den Renditejägern sehr beliebte MSCI World Momentum Faktor erzielte im Oktober seinen höchsten Wert in diesem Jahr mit 6,9% (WKN: A12ATF). Der mit Momentum negativ korrelierte MSCI World Value Faktor (WKN: A12ATG) zeigte im Oktober überhaupt keinen Zuwachs (0,06 %), nachdem er seine höchsten Renditen in diesem Jahr im März mit 9,2 % erzielte. Der MSCI World Small Cap Index (WKN: A2DWBY) erbrachte im Oktober 3,04 % und der MSCI World Quality Faktor hatte mit 6,61 % ebenfalls einen sehr starken Monat (WKN: A12ATE). Der MSCI World Minimum Volatility Faktor (WKN: A1J781) lieferte im Oktober eher magere 2,51 % ab, erzielte er im März dieses Jahres noch sage und schreibe 8,44 %.
Der innere Kritiker meldet sich
Alles in allem war der Oktober für die meisten Investoren, die ihr Portfolio halbwegs breit strukturiert haben, zwar kein herausragender, aber ein guter Börsenmonat. Solche Monate würden wir uns durchaus öfter wünschen. Die Freude über die Kurszuwächse überwiegt in der Regel, aber irgendwann meldet sich wieder die kleine Stimme in einem hinteren Winkel des Bewusstseins und stellt eine unangenehme Frage in den Raum:
„Warum hast du nicht mehr Geld investiert?“
Kennst du sie, diese Stimme? Sie löst in der Regel ein gewisses Unbehagen aus. Dieses Unbehagen ist auch als FOMO bekannt (Fear of Missing Out). Es geht um die Angst eine Chance verpasst zu haben. Wer dieser Angst nachgibt, versucht eine vermeintlich schlechte Entscheidung von gestern, heute wieder gut zu machen, in dem er sich in gestiegene Investments im Nachhinein einkauft. Dieses Verhalten kennt man auch als Performance Chasing oder Renditejagd und wirkt sich in der Regel sehr negativ auf die Portfoliorenditen aus.
Es ist übrigens derselbe unbewusste Nörgler, der sich auch bemerkbar macht, wenn es an der Börse mal heftig Richtung Süden geht und die Kurse in den Keller purzeln. Dann verursacht er allerdings eine andere Form von Unbehagen, nämlich Verlustaversion.
Ein nerviger Zeitgenosse, dieser innere Kritiker. Nie kann man es ihm recht machen. Seine Stimme ist manchmal leise, manchmal auch etwas lauter. Wenn wir sie zu laut werden lassen, treffen wir in der Regel sehr unkluge und vor allem renditeschädliche Entscheidungen. Jedenfalls führt sie dazu, dass wir nie hundertprozentig mit unseren Investments zufrieden sein werden.
Das führt mich wieder zum eingangs zitierten Gründer der Vanguard Group John C. Bogle. Der „Vater des Indexings“, der Erfinder des Indexfonds, mit beinahe einem dreiviertel Jahrhundert Börsenerfahrung am Buckel, der soviel über Börse und Märkte wusste, wie kaum ein anderer. Doch all seine Erfahrung und all sein Wissen konnten seinen inneren Kritiker auch im hohen Alter nicht zum Schweigen bringen, sodass er immer wieder seine erprobte und wohl überlegte Asset Allocation in Frage stellte. Auch John Bogle litt also gewissermaßen hin und wieder an FOMO und Verlustaversion.
Investieren ist permanente Selbstkritik
Was man anhand dieser Beobachtung mitnehmen kann, ist die folgende Erkenntnis.
Investieren ist permanente Selbstkritik. Kritik führt zu Emotionen. Emotionen verleiten zu Handlungen.
Wir können uns viel Wissen aneignen und Erfahrungen sammeln, aber der innere Kritiker wird nie ganz verstummen. Er wird sich in irgendeiner Art und Weise bemerkbar machen und zwar unabhängig davon, ob wir gerade Gewinne oder Verluste an der Börse erzielen. Doch das ist völlig in Ordnung. Wichtig ist nur, wie man mit seinem inneren Kritiker umgeht. Schenkt man ihm zu viel Beachtung, wird er zu emotionalen Reaktionen verleiten und das Treffen von klugen Entscheidungen erschweren. Nehmen wir zur Kenntnis, dass er da ist und auch dann in Erscheinung treten wird, wenn wir alles richtig gemacht haben, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Es geht beim Investieren nicht darum, immer wieder perfekte Entscheidungen zu treffen. Vielmehr geht es darum, es nicht völlig zu vermasseln und genügsam zu sein. Wir sind gut beraten, unsere Ansprüche an uns selbst immer wieder zu reflektieren und uns auf keinen Fall anhand der Ergebnisse von anderen zu messen.
Morgan Housel hat es in seinem Buch Über die Psychologie des Geldes gut auf den Punkt gebracht:
Finanzieller Erfolg ist keine harte Wissenschaft, sondern ein Soft Skill. Es ist eine Eigenschaft, bei der das eigene Verhalten wichtiger ist, als das was man weiß!
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Hi Alex, wieder ein sehr schöner Artikel zu einem wichtigen (und wahrscheinlich gerade deshalb kaum fassbaren) Thema. Nichtsdestotrotz hast du die verschiedenen Facetten sehr gut erläutert und warum dieser Prozess der Erkenntnis so schwierig ist.
Ich versuche, diesem Dilemma zu entkommen, indem ich meine Entscheidungen (egal, in welchem Lebensbereich) von den Ergebnissen trenne. Ersteres kann ICH bestimmen, letzteres nicht. Es gelingt nicht immer, aber ich werde besser ;-)
Viele Erfolg und beste Grüße, Tino