Weltportfolio mit BIP-Gewichtung

Weltportfolio mit BIP-Gewichtung

Wer sich dazu entschlossen hat, mit dem Investieren zu beginnen und ein Weltportfolio anzulegen, hat die Möglichkeit, die enthaltenen Regionen und Länder nach Marktkapitalisierung oder dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu gewichten. Ein Weltportfolio mit BIP-Gewichtung hat verschiedene Vorteile, wie eine reduzierte Gefahr von Klumpenrisiken und die Chance auf eine höhere Rendite. Die Hintergründe dazu und wie eine Portfoliogewichtung nach der BIP-Methode umgesetzt werden kann, klären wir in diesem Beitrag.

Die Welt ist keine Aktie!

Mit einem Weltportfolio wird das Ziel verfolgt, die weltweite Wirtschaft möglichst gut im Portfolio abzubilden. Ein solches Portfolio ist für die private Geldanlage besonders interessant, da es sehr einfach gestaltet werden kann, kaum Aufwand erzeugt und kostengünstig ist. Die Rendite kann sich ebenfalls sehen lassen, denn genauso einfach wie das Weltportfolio-Konzept umzusetzen ist, so effizient und rentabel ist es für Privatanleger.

Da die Weltwirtschaft jedoch kein Unternehmen ist von dem man einfach eine Aktie kaufen kann, steht man als Investor vor der Frage, wie man die einzelnen Regionen und Länder der Welt im Portfolio gewichten möchte. Dazu gibt es vor allem zwei sehr bekannte Ansätze und zwar die Gewichtung nach

  • Marktkapitalisierung oder
  • Bruttoinlandsprodukt (BIP)

Gewichtung nach Marktkapitalisierung

Bei der Gewichtung nach Marktkapitalisierung wird jedes Unternehmen entsprechend seinem Anteil am gesamten Anlageuniversum gewichtet. Die Marktkapitalisierung errechnet sich dabei wie folgt:

Marktkapitalisierung = Börsenkurs x Anzahl der sich im Umlauf befindlichen Aktien

Je höher die Marktkapitalisierung, desto höher wird das jeweilige Unternehmen im Index gewichtet. Je kleiner dieser Börsenwert ist, umso niedriger wird das Unternehmen gewichtet. Das heißt jedoch auch, dass durchaus starke Volkswirtschaften unter Umständen nur sehr gering in einem marktkapitalisierten Index vertreten sind, wenn es relativ wenig börsennotierte Unternehmen in einem Land gibt. Es ist also keine realwirtschaftliche Abbildung globaler Volkswirtschaften.

Etwa 89 % der weltweiten Marktkapitalisierung entfallen auf Industrieländer und 11 % auf Schwellenländer. Die meisten Regionen- und Länder-ETFs und ihre zugrundeliegenden Indizes verwenden diese Gewichtungsmethode.

Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass er sehr einfach ist und dem Anleger kein zusätzlicher Aufwand durch Rebalancing entsteht. Das Portfolio entwickelt sich immer parallel zu den weltweiten Aktienmärkten und lässt sich in der einfachsten Variante durch nur einen ETF umsetzen, der entweder den MSCI ACWI IMI Index oder den FTSE All-World Index abbildet.

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Gewichtung nach BIP

Bei einem Weltportfolio mit BIP-Gewichtung werden die Regionen und Länder nach realwirtschaftlichen Größen gewichtet und zwar gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistung. Durch die Ausrichtung eines Portfolios nach dem BIP ergeben sich sehr deutliche Verschiebungen in der regionalen Aufteilung eines Portfolios. Wie man anhand der Tabelle sehen kann, reduziert sich vor allem der USA-Anteil sehr deutlich zugunsten eines höheren Anteils der Schwellenländer[1].

Region Marktkapitalisierung Bruttoinlandsprodukt
Industrieländer
Nordamerika 63 % 29 %
Europa 17 % 23 %
Asien-Pazifik 9 % 9 %
Schwellenländer 11 % 39 %

Die Gründe dafür, dass es hier zu so deutlichen Verschiebungen kommt, sind einerseits kulturell bedingt. Unternehmen in angelsächsischen Ländern lassen sich eher an der Börse listen, als Unternehmen in anderen Ländern. In angelsächsischen Ländern ist die Möglichkeit, neues Kapital durch die Ausgabe von Aktien zu lukrieren, deutlich mehr verbreitet, als etwa im deutschen Raum. So hat Deutschlands relativ große Volkswirtschaft nur einen verhältnismäßig kleinen Aktienmarkt.

Zudem hält in Schwellenländern sehr oft der Staat nennenswerte Aktienanteile, die jedoch bei der Gewichtungsmethode nach Marktkapitalisierung abgezogen werden, wodurch die große Kluft zwischen den beiden Gewichtungsmethoden noch weiter erklärt werden kann.

„Never bet against America!“

Häufig liest man in den Medien von einer „Entkoppelung der Wirtschaft von der Börse“, meist im Zusammenhang mit hohen Bewertungen des Aktienmarkts. Tatsächlich spiegeln börsennotierte Unternehmen jedoch nur einen Bruchteil der Wirtschaft wider. Es gibt deutlich mehr Unternehmen in einem Land als jene, die an der Börse gelistet sind. So gesehen ist die Verknüpfung zwischen Wirtschaft und Börse ohnehin nicht besonders stark, auch ohne hohen Börsenbewertungen.

Es stellt sich daher tatsächlich die Frage nach der Logik eines marktkapitalisierungsgewichteten Portfolios, wenn man mit einem Weltportfolio das Ziel verfolgt, die weltweite Wirtschaft darin abzubilden.

Der Ratschlag von Value-Investing-Legende Warren Buffet lautet:

„Never bet against America!“

Würde man ein Portfolio nun nach den wirtschaftlichen Leistungen der Länder gewichten, so wäre allerdings genau dies eine der Auswirkungen – der USA-Anteil im Portfolio würde reduziert werden.

Tatsächlich wurden in den letzten Jahren gerade in den USA die besten Renditen erzielt. Warum sollte man also in Erwägung ziehen, gerade den Anteil des High-Performers USA zu reduzieren?

Der Grund dafür liegt in der Reduzierung von Klumpenrisiken. Dazu ein Beispiel aus der Vergangenheit:

Gegen Ende der 1980er Jahre war der Aktien- und Immobilienmarkt von Japan enorm hoch bewertet. 40 % der weltweiten Marktkapitalisierung lagen 1989 in Japan und entsprechend hoch war die Gewichtung von Japan in marktkapitalisierten Indizes wie dem MSCI World, mit entsprechend fatalen Folgen des Japan-Crashs im Jahr 1990.

Japan Marktkapitalisierung Bruttoinlandsprodukt
2021 6 % 6 %
1989 40 % 15 %

Dies wirft ein etwas anderes Licht auf die hohe Marktkapitalisierung des High-Performers USA mit derzeit 63 %. Das bedeutet natürlich nicht, dass der USA irgendwann dasselbe Schicksal wie Japan ereilen muss. Es zeigt jedoch ein vorhandene Klumpenrisiko auf, das noch deutlich größer ist, als jenes von Japan im Jahr 1990. Ein Weltportfolio mit BIP-Gewichtung wäre gegen einen möglichen regionalen Crash hingegen deutlich weniger betroffen und somit auch resistenter gegen Klumpenrisiken.

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Bringt die Gewichtung nach BIP mehr Rendite?

Die Frage, ob eine Gewichtung nach der BIP-Methode mehr Rendite für das Portfolio bringt, lässt sich grundsätzlich mit „Ja, aber“ beantworten. Geht man bis ins Jahr 1970 zurück, so lässt sich folgender Vergleich ziehen[1]:

Marktkapitalisierung Bruttoinlandsprodukt
Reale Rendite p.a.
1970 – 2021
(52 Jahre)
5,8 % 6,2 %
Standardabweichung 15 % 15 %
Max. kumulativer Verlust -55 % -58 %

Wie man sehen kann, zeigte sich über den Zeitraum der letzten 52 Jahre ein marginaler Rendite-Vorteil der BIP-Methode gegenüber der Marktkapitalisierungsmethode von 0,4 % p.a. Über ein ganzes Anlegerleben hinweg würde sich dieser Vorsprung jedoch zu einer beachtlichen Überrendite entwickeln.

In der 5. Auflage von Souverän Investieren mit Indexfonds und ETFs* von Gerd Kommer aus 2018 zeigte sich für den Zeitraum von 1970 – 2017 noch ein Renditevorsprung von 1,1 % p.a. Der Renditevorsprung wurde zuletzt also deutlich kleiner bzw. ist er für den Zeitraum der letzten 25 Jahre eigentlich nicht nachweisbar.[2]

In dieser Grafik sieht man sogar sehr deutlich, dass in den letzten Jahren ein marktkapitalisierungsgewichtetes Weltportfolio sogar ganz klar die Nase vorn hatte, wie der Vergleich des MSCI ACWI Index mit dem BIP-gewichteten Pendants MSCI ACWI GDP Weighted Index zeigt[3]:

MSCI ACWI Index vs. MSCI ACWI GDP Weighted Index Chart

Quelle: MSCI (12.04.2022)

Mögliche Erklärungen für höhere Renditen durch die BIP-Methode

Dennoch gibt es plausible Gründe für die Überrendite bei der BIP-Gewichtung. Zum einen liegen die höheren Renditen der Vergangenheit daran, dass Japan durch die BIP-Methode deutlich geringer gewichtet wurde. Andererseits liegt es am sog. „Rebalancing-Effekt“, da in einem BIP-Portfolio tendenziell „von teuer nach günstig“ umgeschichtet wird.

Außerdem kommen durch die höhere Gewichtung von Schwellenländern vermutlich auch verschiedene Faktorprämien zum Tragen. So etwa die Political-Risk-Prämie, die Small-Cap-Prämie und die Value-Prämie, da es beispielsweise in Schwellenländern auch tendenziell kleinere und günstiger bewertete Unternehmen gibt, als in Industrieländern.




Das BIP bzw. die Wirtschafsleistung selbst dürfte den Renditevorsprung hingegen nicht erklären können. Sehr häufig interessieren sich Privatanleger besonders für Länder mit hohem oder schnellem Wirtschaftswachstum, da daraus oftmals auf einen besonders lukrativen Aktienmarkt geschlossen wird. Dass es sich dabei jedoch zwar um einen scheinlogischen, aber keinen tatsächlichen Zusammenhang handelt, wurde im Artikel Ist es noch sinnvoll, in Schwellenländer zu investieren? näher erläutert.

Wie lässt sich ein Weltportfolio mit BIP-Gewichtung umsetzen?

Leider gibt es keine entsprechenden ETF-Produkte, in denen die enthaltenen Werte nach dem BIP gewichtet werden. Man muss also selbst aktiv werden und sich eine eigene Portfoliogewichtung überlegen.

Möchte man eine exakte Abbildung der Wirtschaftsleistung der Regionen im Depot haben, müsste man für jedes Land einen eigenen ETF ins Depot aufnehmen. Das erübrigt sich jedoch von selbst, da es nicht für jedes Land einen eigenen ETF gibt. Zudem würde dies mit einem immens hohen Aufwand verbunden sein, der die Idee des passiven Investierens ad absurdum führen würde.

Man muss also auf mehr oder weniger breite Regionen-ETFs zurückgreifen, um ein BIP-Portfolio zu erstellen.

Dies bedeutet jedoch auch, dass sich eine BIP-Gewichtung nur auf Portfolio-Ebene bewerkstelligen lässt. Innerhalb der jeweiligen ETFs wird man wieder die übliche Gewichtung nach Marktkapitalisierung vorfinden.

Eine BIP-Gewichtung im ETF-Portfolio wird sich also nur annähernd erzielen lassen. Ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft wird also vorausgesetzt. Im Folgenden werden ein paar beispielhafte Anregungen für Umsetzungsmöglichkeiten gegeben.

BIP-Portfolio mit zwei ETFs

Am einfachsten erscheint die Umsetzung eines Weltportfolios mit BIP-Gewichtung mit zwei ETFs und zwar mit einer Aufteilung nach Industrieländern und Schwellenländern. Dies ließe sich zum Beispiel mit einem ETF auf den MSCI World Index und einen ETF auf den MSCI Emerging Markets IMI umsetzen, wobei letzterer auch Small Caps umfasst.

Von der Gewichtung her könnte man ein Verhältnis zwischen Industrie- und Schwellenländern von 60/40 oder 70/30 in Erwägung ziehen. Damit würde man bereits eine höhere Gewichtung der Schwellenländer erzielen. Allerdings hätte die USA weiterhin ein relativ hohes Gewicht innerhalb des Industrieländer-Anteils.

Mögliche ETFs:

Region Name des ETFs WKN
Industrieländer iShares Core MSCI World UCITS ETF A0RPWH
Schwellenländer iShares Core MSCI Emerging Markets IMI UCITS ETF A111X9

BIP-Portfolio mit drei ETFs

Möchte man zusätzlich zum höheren Schwellenländeranteil auch noch den USA-Anteil reduzieren, könnte man zusätzlich einen Europa-ETF aufnehmen, beispielsweise auf den STOXX Europe 600 Index. Würde man das klassische 70/30-Portfolio damit ergänzen, könnte eine Aufteilung im Verhältnis 50/30/20 (Industrieländer/Schwellenländer/Europa) eine Möglichkeit darstellen.

Mögliche ETFs:

Region Name des ETFs WKN
Industrieländer iShares Core MSCI World UCITS ETF A0RPWH
Schwellenländer iShares Core MSCI Emerging Markets IMI UCITS ETF A111X9
Europa Lyxor Core STOXX Europe 600 (DR) UCITS ETF LYX0Q0

BIP-Portfolio mit vier ETFs

Eine ebenfalls beliebte Variante eines BIP-Portfolios wäre die Gewichtung der vier Großregionen. In diesem Portfolio würde neben den Schwellenländern der Industrieländeranteil durch die Regionen Nordamerika, Europa und Asien-Pazifik abgebildet werden. Eine mögliche Aufteilung könnte im Verhältnis 30/30/30/10 erfolgen (Nordamerika/Europa/Schwellenländer/Asien-Pazifik).

Mögliche ETFs:

Region Name des ETFs WKN
Nordamerika Vanguard FTSE North America UCITS ETF A2PLBJ
Europa Lyxor Core STOXX Europe 600 (DR) UCITS ETF LYX0Q0
Schwellenländer iShares Core MSCI Emerging Markets IMI UCITS ETF A111X9
Asien-Pazifik Lyxor MSCI Pacific UCITS ETF ETF114
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Zusammenfassende Vor- und Nachteile der BIP-Methode

Die BIP-Gewichtungsmethode bringt etwas mehr Komplexität ins Portfolio und bringt durch die Notwendigkeit des Rebalancings einen etwas erhöhten Verwaltungsaufwand und unter Umständen etwas höhere Transaktionskosten mit sich. Dem gegenüber stehen jedoch die Chance auf eine etwas höhere Renditeerwartung und einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Bildung einer zu starken regionalen Konzentration im Portfolio, was ein Weltportfolio mit BIP-Gewichtung zu einer attraktiven Alternative zur Gewichtung nach Marktkapitalisierung werden lässt.

Vorteile der BIP-Gewichtung

  • Leicht erhöhte Renditeerwartung durch Rebalancing-Effekt und Faktorprämien

  • Geringere Wahrscheinlichkeit starker regionaler Konzentration und somit reduziertes Klumpenrisiko

Nachteile der BIP-Gewichtung

  • Keine passenden ETF-Produkte mit BIP-Gewichtung vorhanden

  • Höhere Komplexität und Transaktionskosten durch die Notwendigkeit des Rebalancings; die Umsetzung ist jedoch auf unterschiedlichen Komplexitätsstufen möglich

Quellenverzeichnis

[1] Daniel Kanzler, Gerd Kommer Invest: „Wie du mit dem potenziellen Klumpenrisiko USA in deinem ETF-Weltportfolio clever umgehst“ Internet-Fundstelle: https://www.youtube.com/watch?v=6SB0Q-9HyFU (12.04.2022)

[2] Justetf.com Podcast Episode: „Dr. Gerd Kommer im justETF-Talk, Aufzeichnung vom 27.01.2022“ Internet-Fundstelle: https://www.youtube.com/watch?v=6SB0Q-9HyFU (12.04.2022)

[3] MSCI ACWI GCP Weighted Index. Internet-Fundstelle: https://www.msci.com/documents/10199/c101addd-4f24-4a63-90a8-c206b4700241 (5.12.2021)

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