Ist es noch sinnvoll, in Schwellenländer zu investieren?

Ist es noch sinnvoll, in Schwellenländer zu investieren?

Was man am Beispiel von China lernen kann

Ist es noch sinnvoll, in Schwellenländer zu investieren?

Was man am Beispiel von China lernen kann

Politisches Risiko – Einleitung

Die jüngsten massiven Abverkäufe und Kurseinbrüche bei chinesischen Aktien wie Alibaba und Tencent als Reaktion auf die Regulierungsandrohungen der chinesischen Regierung haben es wieder mal gezeigt – in Schwellenländer zu investieren ist riskant! Und zwar riskanter, als vergleichbare Investitionen in Industrienationen. Dabei geht es weniger um wirtschaftliche und marktbedingte Risiken, sondern vielmehr um ein erhöhtes politisches Risiko in Schwellenländern. Diese Risiken äußern sich häufig durch starke Kursschwankungen und negativen Renditeauswirkungen, die sich aufgrund politischer Entscheidungen ergeben. Politisches Risiko umfasst dabei:

„[…] die Wahrscheinlichkeit der ungerechtfertigten Enteignung von Investoren, diskriminierender Gesetze, Kapitalverkehrskontrollen, Devisenkontrollen, makroökonomischer Krisen, Nachteile aus Korruption, Gewalt, Bürgerkrieg, schlechter Infrastruktur und generell die Wahrscheinlichkeit ‚erratischer‘ (schlingender) Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen für das Wirtschaften von Unternehmen.“1

Das wirft bei vielen Investoren nun einige Fragen auf. Wie sinnvoll ist es überhaupt, in Schwellenländer zu investieren? Lohnt es sich die Risiken einzugehen, die mit Investitionen in Emerging Markets wie China verbunden sind? Oder sollte man sich lieber ausschließlich auf entwickelte Länder mit geringerem politischem Risiko konzentrieren?

Diese Fragen sollen in diesem Artikel beantwortet werden. Zudem wird ein weit verbreitete Irrtum aufgegriffen, der den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Aktienrenditen betrifft.

Aktienrenditen in Schwellenländern

Zuverlässige Daten zu Renditen von Schwellenländeraktien gibt es erst ab dem Jahr 19881, 2. Die Beobachtungen ab diesem Zeitpunkt zeigen jedoch, dass Aktien aus Schwellenländern höhere Renditen erbracht haben, als Industrieländeraktien. Wer also in Schwellenländer investiert und diese eventuell sogar übergewichtet hat, konnte von der Political-Risk-Prämie profitieren und höhere Renditen erzielen.

So erzielte der MSCI Emerging Markets Index im Zeitraum zwischen 1988 und 2016 eine inflationsbereinigte (reale) Rendite von 9,2 % p.a., während der MSCI World Index im selben Zeitraum eine Rendite von 6,2 % p.a. erbrachte1. Diese stärkere Performance war jedoch von einem durchwegs erhöhten Risiko geprägt.



So war etwa in Schwellenländern die Volatilität deutlich höher als in den Industrieländern. Die Standardabweichung lag im Beobachtungszeitraum in den Schwellenländern bei 36 % und in den entwickelten Ländern bei 20 %1.

Zudem lag in den Schwellenländern der Anteil an Kalenderjahren mit negativen Realrenditen im Beobachtungszeitraum bei 36 %, in den Industrieländern hingegen nur bei 19 %1. Das heißt, Schwellenländer erzielten im Schnitt etwa jedes dritte Jahr eine negative Realrendite, Industrieländer hingegen nur etwa jedes fünfte Jahr.

Die Schlussfolgerung aus diesen Beobachtungen lautet also:

Investitionen in Schwellenländeraktien waren deutlich risikoreicher als in Industrieländeraktien. Das erhöhte Risiko wurde jedoch durch höhere Renditen entschädigt.

Wirtschaftswachstum ≠ Rendite – Der Hype um China

Investoren interessieren sich für Aktien aus Schwellenländern häufig aufgrund des schnellen ökonomischen Wachstums. Die Wachstumsraten der Schwellenländer kann sich tatsächlich sehen lassen. Der Anteil der Schwellenländer am globalen BIP hat sich über die Jahre deutlich erhöht. 1980 lieferten sie nur etwa ein Viertel der globalen Produktion. Aktuell liegt der Anteil bereits bei knapp 40 %. Prognosen des IWF und der OECD legen nahe, dass gegen Ende des Jahrhunderts die Produktion der Schwellenländer auf drei Viertel der Weltproduktion ansteigen wird.

Gerade das BIP-Wachstum von China ist bemerkenswert. Laut Prognosen soll Chinas Anteil der globalen Produktion etwa im Jahr 2032 sein Maximum von 32 Prozent erreichen. Viele Investoren folgern daraus, dass China ein besonders lukrativer Aktienmarkt sein müsse. Doch gerade China hat als Schwellenland in der Zeit von 1993 – 2016 (soweit reichen die Daten zurück) sehr enttäuschende (reale) Aktienrenditen erbracht, nämlich 0,7 % p.a. minus (!), trotz enorm hohen Wirtschaftswachstums. Hingegen hat es das scheinbar unbedeutende Schwellenland Peru im selben Zeitraum auf 13,1 % p.a. gebracht1.

China ist somit ein gutes Beispiel dafür, dass der scheinlogische Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Aktienrenditen nicht vorhanden ist und deswegen auch bereits mehrfach widerlegt wurde. Tatsächlich ist es sogar so, dass es (wenn überhaupt) eher eine negative Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Aktienrenditen gibt. Diesen negativen Zusammenhang gibt es nicht nur für Schwellenländer, sondern auch für die Industrieländer2.



Im Zeitraum zwischen 1900 und 2012 hatte unter den entwickelten Ländern etwa Australien das fünftniedrigste Wachstum, aber die besten Renditen. Südafrika hatte die niedrigste Wachstumsrate und die zweitbesten Renditen. Japan hingegen hatte die höchsten Wachstumsraten und deutlich unterdurchschnittliche Aktienrenditen.

Auch bei den Schwellenländern lässt sich die negative Korrelation sehr deutlich ablesen. Im Zeitraum von 1988 bis 2012 war China das am schnellsten wachsende Land, hatte aber die schlechtesten Renditen. Mexiko, Brasilien und Argentinien wuchsen hingegen am langsamsten, hatten aber hervorragende Renditen.

Die weit verbreitete Meinung, dass Investoren am besten Aktien in jenen Ländern kaufen sollten, die am schnellsten wachsen, ist somit grundlegend falsch.

„Rendite kommt von Risiko; sie kommt nicht von erwarteten Erträgen, Gewinnen oder Cash-Flows.“1

Warum hohes Wachstum nicht mehr Rendite bringt

Mögliche Gründe dafür, warum schnelleres Wirtschaftswachstum nicht automatisch höhere Renditen erbringt, können folgende sein:

1. Starkes Wirtschaftswachstum sorgt für Euphorie unter Anlegern

China war in den vergangenen drei Jahrzehnten zweifellos das am schnellsten wachsende Land der Welt. Da die chinesischen Aktien jedoch derart gehypt und dadurch deutlich überbewertet waren, erbrachten sie für ihre Investoren im Schnitt nur sehr bescheidene Renditen. Lateinamerikanische Aktien hingegen waren in Relation zu fundamentalen Werten relativ billig und das blieben sie auch. Hier profitierten die geduldigen Anleger.

2. Die Börse bildet nur einen kleinen Teil der Wirtschaft ab

Den Daten der Weltbank zufolge gab es 2019 weltweit über 43.248 börsennotierte Unternehmen3. Allein in Deutschland gab es 2019 jedoch insgesamt knapp 3,3 Millionen Unternehmen4. Börsennotierte Unternehmen machen also nur einen Bruchteil der gesamten Wirtschaft aus und nur einen kleinen Teil des gesamten volkswirtschaftlichen Einkommens eines Landes.

Somit zeigt sich auch, dass die „Entkoppelung von Börse und Wirtschaft“ von der im Zusammenhang mit heiß gelaufenen Aktienmärkten gerne gesprochen wird, ein Trugschluss ist.



3. Aktienrenditen spiegeln die Einschätzung der Zukunft wider

Das Wirtschaftswachstum spiegelt die gegenwärtige Situation wider. Hingegen beruhen Aktienrenditen auf der Anlegereinschätzung der zukünftigen Entwicklung. Es heißt nicht umsonst:

„An der Börse wird die Zukunft gehandelt.“

Weltweite Diversifikation für ein optimales Risiko-Rendite-Verhältnis

Wenn das beachtliche Wirtschaftswachstum von Schwellenländern aber kein Grund ist, um in Schwellenländer zu investieren, warum sollte man es dann tun?

Die Antwort auf diese Frage lautet: Diversifikation. Der Grund, warum man global diversifizieren sollte, ist die Reduzierung von Risiken. Ebenso wie man über verschiedene Sektoren und Branchen diversifiziert, sorgt auch eine Streuung über verschiedene Länder und Regionen für ein reduziertes Investitionsrisiko. Ebenso wie es keine gute Idee ist, alles auf eine Aktie oder auf eine Branche zu setzen, ist es auch keine gute Idee, nur in einem Land Aktien zu kaufen.

Die globale Diversifizierung reduziert die Risiken deshalb, da die Aktienkurse in verschiedenen Ländern nicht im Gleichschritt steigen oder fallen. Die Renditen in den Ländern bewegen sich asynchron. Ist man nun über viele Länder und Regionen investiert, so dämpft dies die Volatilität des Portfolios. Je geringer die Korrelation zwischen verschiedenen Regionen, umso besser ist es für die Risikostreuung im Portfolio. Solange zwei Assets nicht perfekt miteinander korreliert sind, der Korrelationskoeffizient also unter 1 liegt, senkt die Kombination dieser Assets das Risiko des Portfolios.

Somit gehören in ein gut diversifiziertes Portfolio nicht nur Industrieländeraktien, sondern auch Schwellenländeraktien. Wer von künftigen Aktienrenditen der Emerging Markets profitieren möchte, sollte allerdings nicht auf einzelne Länder setzen, sondern möglichst breit über viele Schwellenländen streuen.

Wie ich in einem eigenen Artikel zur Diversifikation bereits erläutert habe, liegt der maximale Diversifikationsnutzen in der weltweiten Streuung über Tausende von Aktien aus Industrieländern und Schwellenländern hinweg und über alle Branchen verteilt. Am einfachsten lässt sich ein solches breit diversifiziertes Portfolio über die Kombination einiger weniger ETFs umsetzen.

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Von |2021-09-21T17:04:07+02:0022. August 2021|Finanzielle Bildung|0 Kommentare

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